Leseproben

 

"Lausche dem Rhythmus der Worte,
schicke deine Gedanken auf Reisen,
dann wirst du den Zauber anderer Welten
entdecken."


 

Schön, dass Sie den Weg zu meiner Webseite gefunden haben!

Allen Besuchern wünsche ich viel Freude beim Entdecken, Lesen und Stöbern.

 

Herzlichst Dorothea Möller

 

Leseproben

 

Heimlich nach Haithabu

 

Normal 0 21 false false false DE X-NONE X-NONE /* Style Definitions */ table.MsoNormalTable {mso-style-name:"Table Normal"; mso-tstyle-rowband-size:0; mso-tstyle-colband-size:0; mso-style-noshow:yes; mso-style-priority:99; mso-style-parent:""; mso-padding-alt:0cm 5.4pt 0cm 5.4pt; mso-para-margin:0cm; mso-para-margin-bottom:.0001pt; mso-pagination:widow-orphan; font-size:10.0pt; font-family:"Times New Roman",serif;}

Das Geräusch von raschelnden Segeln ließ mich hochfahren. Ehe ich mich bewegte, lauschte ich erneut. Tatsächlich, es waren die Segel, die im Wind knisterten. Innerlich jubelte ich. Wir waren unterwegs und niemand konnte mich jetzt noch zurückschicken. Langsam kroch ich hinter den beiden Seekisten hervor, wo ich mich die ganze Zeit versteckt hatte. Die Felle meines Vaters boten mir ein gutes Lager, so dass ich wohl eingeschlafen war, nachdem ich mich auf das Schiff geschlichen hatte. Das Knurren meines Magens brachte mich in die Wirklichkeit zurück. Es war so laut, dass fürchtete man könnte es oben an Deck hören.

Aber vielleicht sollte ich der Reihe nach erzählen, wieso ich mich als neunjähriges Mädchen versteckt auf dem Schiff meines Vaters befinde:

 

Ich heiße übrigens Randi – von Runhild. Unser Vater ist Kaufmann oder Pelzhändler, wie wir Wikinger sagen. Er ist viel unterwegs, um Felle aus Norwegen, Schweden und Finnland aufzukaufen. Mein Zwillingsbruder Magnus darf ihn hin und wieder auf den kurzen Verkaufsfahrten nach Haithabu auf dem Schiff begleiten, während ich daheim bei Mutter bleiben muss, Korn mahle, webe, nähe und rechnen lerne... Immer heißt es, du bist zu jung!

Manchmal bringt Vater süßes Gebäck, Perlen für Armbänder oder Ketten, Beinstein und einen Ledergürtel mit. Doch ich möchte für mein Leben gerne selbst Haithabu sehen. All die fremdländischen Händler, die dort ihre Webwaren, feinste Wolle aus England, Schmuck und Spiele aus Speckstein oder Holzschnitzereien und so viel mehr verkaufen.

Mein Bruder Magnus wettete, dass man mich noch vor dem Auslaufen des Schiffes entdecken würde... Hach, der glaubt auch in bin dumm!

In der Nacht, als alle im Haus schliefen, zog ich mir eine seiner Hosen an und schlich unbemerkt hinaus zum Schiffsanleger. Vater hatte nur zwei Wachen zurückgelassen, da unsere Siedlung ein verschlafener Ort ist. Die Männer unterhielten sich, während ich einen Stein in die entgegengesetzte Richtung ins Wasser warf, wo sie erschrocken aufhorchten und hin liefen, um nachzusehen. Schnell rannte ich über den Steg hinauf aufs Schiff.

„Wird ein Hecht gewesen sein“, brummte einer der Männer. Derweil war ich unter Deck, wo die Waren gelagert wurden.

Gerade, als ich herzhaft in meinen Apfel biss, rumorte es lautstark über mir. Ein Tumult brach aus. Stimmen wurden laut, doch ich verstand nur Wortfetzen wie... Schiff voraus..., segelt schneller... Vorsichtshalber versteckte ich mich wieder hinten den Kisten, als ich … PIRATEN.... hörte.

Jetzt wurde mir doch mulmig. Wenn es ein Piratenschiff war, würden sie uns ausrauben und als Geiseln nehmen... Möglicherweise verkaufte man uns im nächsten Hafen, bevor wir Haithabu erreichten... Vor Schreck stellten sich meine Nackenhaare auf.

Unmöglich! Fast in jeder Siedlung entlang der Schlei kannte man meinen Vater, überlegte ich fieberhaft. Das Gejohle wurde lauter. Ein Boot kam längsseits. Männer kamen an Bord. Laute Stimmen riefen Befehle durcheinander. Das Klirren von Schwertern wie Kampfgeschrei war zu hören...

Jetzt bekam ich es zu dem Überfall auch mit meiner eigenen Angst zu tun.

Plötzlich wurde die Ladeluke aufgerissen. Zwei wüst aussehende Männer mit Äxten und Dolchen in der Hand polterten die Stiegen hinab, um ihre Beute in Augenschein zu nehmen. Mein Herz klopfte zum Zerspringen laut und ich fürchtete, sie müssten es hören. Rasch drückte ich mich noch tiefer in die Pelzbündel, als einer von ihnen auf die Kisten zukam. Er hob den Deckel einer Kiste und brummte zufrieden. Beim Schließen des Deckels griff er mit der Hand nach einem Pelzbündel und erwischte meine Weste. Mit einem Ruck zog er mich hoch.

„Schau an, schau an, was haben wir denn hier? Eine blinden Passagier?“, fragte er mich.

Trotzig sah ich ihn an. Das Tuch um meinen Kopf war verrutscht, mein rotblonder Zopf kam zum Vorschein.

„Sogar ein Mädchen...“, grinste er breit. „Für dich bekommen wir sicher einen guten Preis....“, lachte er fies.

Vor Angst machte ich mir jetzt fast in die Hose.

„Los, rauf mit dir!“ Unsanft schubste er mich die Stiegen hinauf.

Die Sonne blendete. Oben angekommen schloss ich kurz die Augen.

Als ich sie wieder öffnete stand mein Vater mit in den Hüften gestemmten Händen vor mir und sah mich bitterböse an.

„Randi! Verflixte Göre! Wie oft habe ich dir gesagt, dass du nicht mitkommst?“

Mit gesenktem Kopf stand ich vor ihm.

„Es ist gefährlich für ein Mädchen auf Fahrt zu gehen. Im Moment gibt es ständig Überfälle von Wikingerpiraten! Verdammt, was wäre gewesen, wenn wir wirklich angegriffen worden wären...? Viele von uns wären verletzt... und dich hätte man verkauft!“

Jetzt begriff ich. Magnus hatte mich verpetzt.

Als ich aufblickte, erkannte ich einige der Männer meines Vaters, die zur Mannschaft seines zweiten Schiffes gehörten. Das Klirren von Schwertern, sowie die beiden wild aussehenden Männer sollte mir auf lange Sicht Angst einjagen - was ihnen auch gelungen war.

Das Peinlichste kam noch. Ich musste meinem Vater vor der versammelten Schiffsmannschaft versprechen, mich nie wieder heimlich auf eines seiner Schiffe zu schleichen oder mich als Junge zu verkleiden.

Zum Umkehren blieb trotzdem keine Zeit.

So kam es, dass ich in Begleitung meines Vaters und einiger waffenfähiger Männer in Haithabu mit meiner eigenen Kleidung an Land ging. Auch wenn es nicht so gelaufen war, wie ich es mir vorstellte, schlenderte ich nun an den Verkaufsständen vorbei und konnte mich am bunten Treiben der Händler sattsehen. Vater kaufte Schachfiguren aus geschnitztem Stein für Magnus und süßes Gebäck für die Rückfahrt.

Er hatte gute Geschäfte gemacht und ich konnte darauf hoffen, dass seine Strafe daheim für meinen Ungehorsam nicht so streng ausfiel, wie angekündigt...

Erschienen im Papierfresserchenverlag 2024


Natur vom Frühling wachgeküsst

Mitte März war die Landschaft in der Schwintzer Heide nach kalten Tagen und Regenfällen noch trist. Die Häuserdächer und Straßen im Ort glänzten grau vom Regen. Dicke Wolken hingen tief über den Wäldern und dem See. Man konnte nicht unterscheiden, ob der April oder der November Einzug halten wollten. Es war feucht und kühl - nichts, außer das Datum im Kalender erinnerte an den Frühling.

In diesen rauen Frühlingstagen waren wir für einige Tage zu Besuch bei unserer Großmutter. Vor ihrem Holzbunker lagerte bereits das frisch gesägte Kaminholz, welches noch gehackt und "aufgefleit" werden musste.

Wir entschieden, das Holz zu spalten, ehe es wieder regnete. Ursprünglich war vorgesehen, dass sich die Cousins am Wochenende daran machten, doch wir wollten uns wenigstens ein wenig nützlich machen und so begannen mit dem Hacken. Wir zerhackten dicke Klötze und stapelten die Scheite im Holzbunker. Als der vollgepackt war, lernten wir von unserer Großmutter, wie man eine "Holzmiete" aufstapelt. Das Wetter wurde nach und nach besser, klarte auf, sogar die Sonne kam heraus und wärmte den Boden. Zum Garten umgraben war der Boden allerdings noch zu nass und zu schwer. Innerhalb von zwei Tagen blühten Primeln in den Vorgärten, der Geruch von Hyazynthen, Krokussen und Duftveilchen verbreitete sich. Die Osterglocken, die bislang geschlossen waren blühten auf. Unser damals eineinhalb Jähriger pflückte mit Vergnügen sämtliche Blumen rund um den Garten ab, um sie der Omi zu bringen. Für ihn war jede Blume eine Osterglocke, daher wurde ihr jede einzelne Blüte feierlich mit den Worten: "Da Omi, Osterglocke" überreicht.

Zwischenzeitlich zeigten wir ihm den blühenden Löwenzahn, den er mit Hingabe an die Hühner verfütterte. Gierig stürzten sie sich darauf. Einige Male waren sie so wild und stürmisch, flatterten um ihn herum und rissen das Grün aus seinen kleinen Fingern, dass er auf seinen gepolsterten Pamperspo plumpste.

Das ältere, aufgestapelte und vorgetrocknete Holz an der Hauswand des Forsthauses lockte Spatzen an, die sich Moosreste als Nistmaterial herauspickten.

Die Pferdekoppeln zeigten ein zartes Grün und endlich konnten die Rückepferde Max und Moritz nach ihrer Winterzeit im Stall wieder hinaus. Sie stürmten über die Koppel, sprangen wild vor Freude hin und her, um dann Rast am Seeufer zu machen. Es dauerte einige Tage, bis wir mit der Holzaktion fertig wurden, zumal die Arbeit für uns ungewohnt war. Wir hatten Schwielen an den Händen und einen tüchtigen Muskelkater. Mücken, Schwebfliegen und andere kleine Insekten schwirrten durch die Luft. Die Weißstörche kehrten aus Afrika zurück und nahmen das für sie hergerichtete Wagenrad auf dem Scheunendach in Besitz. Eine kleine Eidechse erwachte aus ihrer Kälterstarre, inspizierte die Holzmiete um rasch darunter zu verschwinden, als wir ihr zu nahe kamen. Die Natur erwachte zum Leben, erwachte aus der Kälteklammer des Winters.

Nach wenigen Tagen wurden die Triebspitzen des Schnittlauchs sichtbar. Am Abreisetag genossen wir ein himmliches Bauernfrühstück a la Omi mit Rührei und frischem Schnittlauch. Dazu gab es Salat aus jungen Löwenzahnblättern, den wir nicht ganz so begeistert aßen, trotz seines hohen Vitamin C Gehaltes, wie Omi uns glaubhaft versicherte... Ich denke, der hat dann den Hühnern besser als uns geschmeckt...!

Innerhalb weniger Tage hatte sich die Natur völlig gewandelt. Blumen blühten, Insekten surrten, die warme Frühlingssonne bräunte unsere Gesichter. Ohne die Sonne wäre der zauberhafte Wandel nicht möglich gewesen.

Anmerkung: Auffleien bedeutet beim Holz Scheite aufstabpeln.

 


Wann beginnt der Frühling?

Eines ist klar, wenn es laut Kalender Frühling wird, dann muss er nicht auch zwangsläufig beginnen!

Ist es vielleicht das Schneeglöckchen oder das erste Grün des Krokus? Sind die Störche, die aus Afrika zurückkehren unsere Frühlingsboten, oder eher die Singvögel? Egal, welche Blume, welches Tier, der Frühlingsbeginn zeigt sich für jeden anders.

Wir spüren, dass die Jahreszeit im Wandel ist.

Die Tage werden bereits Ende Januar merklich länger - ein erstes, untrügliches Zeichen, dass die dunkle Winterzeit vorüber ist. Für kurze Zeit erreichen die ersten Sonnenstrahlen die Erde. Noch befindet sich die Natur in einer Art Wartezeit, um für den richtigen Augenblick gewappnet zu sein. Doch der Kampf der Naturelemente ist zwischen Januar und März noch nicht beendet. Erst wenn die Sonne über dem Horizont höher steigt, besiegt sie die Frühlingsstürme und verdrängt die Kälte. Das rasche Hervorbrechen aller Naturkräfte durch das Keimen von Pflanzen - wie Hyazinthen, Tulpen und Narzissen, zeigen uns den Lebenswillen der Natur.

Die Zeitumstellung ist für viele Menschen dann der endgültige Frühlingsstart. Warum? Ganz klar, weil die Frühjahrsmüdigkeit jetzt beginnt!


Die Mutter meines Vaters sprach in dieser Zeit immer vom "Reinemachen des Hauses". Schon bald stapfte sie, bewaffnet mit Putzeimer, Schrubber und Wischmopp sowie einem Staubtuch in die Küche. Ihr Gesichtsausdruck nahm einen grimmigen Zug an, während sie dem Winterdreck auf den Pelz rückte. Sie blies symbolisch zum Hallali auf Staub und Schmutz. Spätestens jetzt war es an der Zeit die Flucht zu ergreifen, weil sie dann übellaunig loslegte, um auf Schränken und in den Ecken Spinnen zu jagen. Gardinen wurden abgenommen, die Fenster geputzt und neue Gardinen aufgehangen. Es wurde in den Schränken herumgekramt und die letzten Spekulatiien vom Weihnachtsfest hervorgeholt... Unter uns gesagt, wir Kinder sagten immer, "bei Oma gibt es die Vorösterlichen"...!

Manch einer räumt, wie auf ein geheimes Signal, die Wintergarderobe nach hinten in den Schrank und tauscht sie gegen die Frühjahrsbekleidung aus. Wieder andere sortieren Bücher, Papiere oder ähnliche Formulare von ihrem Schreibtisch in Ordner ein, oder quälen sich durch die Steuererklärung...

Fakt ist, ein unruhiges Teiben seltzt ein, immer noch abwartend, auf einen ersten Hinweis, der uns richtig durchstarten lässt.

Für mich persönlich ist der Frühling nicht mehr fern, wenn das erste Grün des Schnittlauchs zu spießen beginnt und ich so viel davon abschneiden kann, dass es für die erste Pfanne mit Rührei zum Sonntagsfrühstück mit der gesamten Familie ausreicht.

 

Diese Geschichte erschien 2013 im Elbverlag.


 

Ein Schlafsack für Oma

Das Dorf meiner Großmutter in Mecklenburg übte zu jeder Jahreszeit einen magischen Reiz auf mich aus. Einerseits war es die Landschaft, die sich vor dem Zugfenster wie ein Schachbrett ausbreitete, andererseits der Ort selbst und die Menschen, die mir lieb und vertraut waren. Uns Kindern war selten langweilig, einem von uns fiel immer etwas ein.

Ställe oder offene Unterstände mit Kutschen gab es genug. Die Kieskuhle, in der wir vom Hang heruntersprangen war ebenso attraktiv, wie das über den Zaun hängende Obst der Streuobstwiese. Wir spielten Verstecken im Mais und Schnitzeljagd im Wald... Es war eine Zeit der Freiheiten, besonders für mich als Stadtkind.

Sobald Waldbrandgefahr bestand, durften wir uns nicht mehr in die Nähe des Waldes wagen.

Die Sommer in Mecklenburg waren sehr warm, wenn nicht heiß. In jenem Sommer wollten wir draußen nächtigen, da sich die Wärme im Haus staute und somit auch die Nächte warm waren.

Oma war strickt dagegen, dass wir allein hinter ihrem Holzschuppen im Garten zelten wollten. Wohl auch deshalb, weil der Wald direkt hinter ihren Garten angrenzte. Wir versuchten es mit Flehen und Betteln, sie blieb aber standhaft. Drei Tage lagen wir ihr in den Ohren, bis unser Cousin Herbert eine glänzende Idee hatte. Es war damals siebzehn Jahre, während wir mit elf und zwölf noch „Küken“ waren.

„Ihr müsst Oma zum Zelten einladen“, war sein Rat.

Wir schauten uns verständnislos an.

„Ich habe noch einen alten Armeeschlafsack, den hängen wir zum Lüften raus, morgen bringe ich ihn vorbei und ihr gebt ihn Oma, damit sie mit euch zelten kann!“ Gesagt, getan.

Am nächsten Mittag kam Herbert mit dem Schlafsack. Wir versteckten ihn erst einmal im Garten. Kurze Zeit darauf schleppten wir die Klappbetten aus dem Haus und erzählten, wir wollten uns sonnen. Das Zelt war groß genug, dass auch die Klappbetten Platz fanden.

Gegen Abend hatten wir alles vorbereitet: Decken im Zelt verteilt, Getränke in der Kühltasche, Kekse im Kinderkoffer. Sogar einen großen Papierfächer für Oma hatten wir gebastelt.

Wir wussten, dass Oma ihren Garten am liebsten selbst bewässerte. Also erzählten wir ihr, dass einer von uns schon begonnen hatte, alles zu gießen. Rasch kam sie mit uns hinaus. Als sie unsere Zeltstadt sah, war sie begeistert: „Na, da habt ihr euch ja richtig Mühe gemacht!“

Stolz führten wir sie zu einem Klappbett, worauf der Armeeschlafsack ausgebreitet lag. „Omi, hier wirst du heute Nacht schlafen“, erklärte ich ihr stolz.

„Wir wissen ja, dass du uns nicht allein lassen kannst, weil du die Verantwortung für uns trägst“, fügte meine ältere Cousine Martina rasch hinzu.

Da blieb unserer Oma nichts anderes übrig, als zuzustimmen. Sie übernachtete mit uns im Garten und besaß seitdem einen Schlafsack, denn es war nicht ihre letzte Nacht im Gartenparadies...

 

Ein Hauch von Weihnachten

In jener Zeit, als es noch die Grenzübergänge von der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik gab, fuhren nicht nur Pkw´s oder Lkw`s hin und her. Auch Züge passierten die Grenzgebiete. Insbesondere ältere Mensche, deren Verwandte im Westen lebten, nutzten diese Zeit zum Reisen. Die Züge waren oftmals sehr voll, Platzkarten kaum zu bekommen. Die Menschen drängten sich auf den Gängen oder in den Zwischenbereichen der Wagons, wo sie teilweise auf ihren Koffern saßen.

Es war in der Vorweihnachtszeit, zwischen dem zweiten und dritten Advent, als Adele, eine rüstige Rentnerin, sich auf die Reise gen Westen machte. Sie hatte schon mancherlei auf ihren Fahrten erlebt, doch dieses Mal sollte es anders werden:

Von Warnemünde kommend füllte sich das Abteil nach und nach. Sie hatte vergnügliche Gesellschaft im Abteil und unterhielt sich angeregt mit einem älteren Ehepaar soiwe zwei jungen Studentinnen. Die jungen Frauen waren auf der Rückreise nach Bremen. Beide hatten ein gebratenes Huhn im Handgepäck, welches sie, wie sie erst im Gespräch erfuhren, nicht über die Grenze bringen durften... Also schlugen sie vor, ein Picknik zu veranstalten. So kam es, dass Adele ihre "Hasenbrote" mit Wurstspezialitäten beisteuerte und das rüstige Ehepaar Cottbusser Kekse nebst Pulsnitzer Lebkuchen auftischte. Es war eine vergnügliche Runde. Bis sie die Grenzkontrollen erreichten, war glücklicherweise vor allem das Huhn, verzehrt.

Die nächste Überraschung kam hinter der Grenze. Gleich mehrere Damen von der Bahnhofsmission stiegen in den Zug und fuhren bis zur nächsten Haltestelle mit. In dieser Zeit verteilten sie als kleinen Adventsgruß Orangen und Bananen an die Reisenden. Adele war so gerührt, dass sie den Damen je zwei ihrer handgearbeiteten Filzweihnachtssterne schenkte, die sie für ihre Enkeltochter Sophia gearbeitet hatte.

Adele reiste noch viele Jahre, bis sie es aus Altersgründen nicht mehr schaffte.Die Filzweihnachtssterne hob ihre Enkeltochter Sophia viele Jahre als Erinnerung auf und hing sie an den Weihnachtsbaum. Selbige unterstützt die Bahnhofsmission sowohl finanziell als auch ehrenamtlich seit jener Zeit. Irgendwann in der Vorweihnachtszeit schmückte eine junge Frau, die erst wenige Wochen zuvor in das Ehrenamt der Bahnhofsmission eingetreten war, ein paar Tannenzweige mit roten Filzsternen.

Überrascht schaute Sophia sie an. "Woher hast du denn diesen hübschen Sternenschmuck?" "Der ist von meiner Mutter. Eine Reisende, die von drüben kam, gab ihn ihr als Dank für eine Orange und Banane. Die alter Dame war wohl so gerührt, dass sie auch ihr und ihrer Kollegin eine Freude machen wollte..." Sophie grinste über das ganze Gesicht und nickte. Am Folgetag hing sie zwei weitere von den Filzweihnachtssternen in die Zweige. "Die alte Dame, die deiner Mutter das Geschenk machte, war meine Großmutter...", setzte sie erklärend hinzu.

 

 

Winterglück mit Baumkuchen und Bauchspeck

 

Bereits im November begannen in der himmlischen Backstube die Vorbereitungen für die Weihnachtsbäckerei. Es war Tradition, dass zum Christfest jeder Engel sowie Petrus mit besonderen Leckereien beschenkt wurde, was viel Arbeit bedeutete.

 

Mit dem Hemdsärmel wischte sich Amelie über die gerunzelte Stirn. „Jedes Jahr das Gleiche“, brummte sie genervt. „Zimtherzen, Rosenblätter in feinstem Zuckerwerk, himmlische Lebkuchen oder was sonst noch von Petrus gewünscht wurde. In ihrem weltlichen Leben war Amelie Bäckerin im Thüringischen. Sie sehnte sich nach den Köstlichkeiten ihrer Heimat. Was hätte sie darum gegeben, wieder einmal den typischen Thüringer Huckelkuchen oder Baumkuchen zu backen. Doch im Himmel gab es fast immer die gleichen Gebäcksorten…

Seufzend stemmte sie die Arme in die Hüften.

„Warum eigentlich nicht!“, dachte sie ärgerlich.

Rasch suchte sie alle Zutaten für den Teig, der aus Eiern, Zucker, Fett, Mehl und Rum bestand, zusammen. Nachdem der Teig gerührt war, strich sie ihn dünn auf das Blech. Angelockt vom verführerischen Duft des Gebäcks, betrat Onni der Wunschengel die Backstube.

„Mmm, da läuft einem glatt das Wasser im Mund zusammen, Amelie. Benötigst du noch Zutaten?“

„Nein, ich habe von allem genug. Aber lieb von dir, dass du fragst.“

Sie wischte sich mit der Hand durchs verschwitzte Gesicht, wobei eine Mehlspur zurückblieb. Die Uhr des Ofens klingelte.

Schnell öffnete sie den großen Backofen und zog die Bleche heraus. Verwundert blickte Onni auf den Huckelkuchen. „Das ist… etwas Neues, stellte er eher fragend fest.

„Ja! Ich dachte mir, dieses Weihnachten gibt es einige Überraschungen für die Engel...“, erklärte Amelie selbstbewusst. „Das ist ein Huckelkuchen – der muss so aussehen.“

Onni nickte. „Das ist gar nicht verkehrt. Weißt du eigentlich, wie lange ich für Veränderungen kämpfen muss, ehe sie einen winzigen Schritt von ihren jahrhundertealten Tradionen abrücken?“

Fröhlich schaute Amelie ihn an.

„Ja, das ist sogar mein Wunsch, etwas zu verändern…!“

„Ach“, antwortete Onni scheinheilig.

„Ja, wenn das so ist, dann muss ich ihn dir ja, sozusagen erfüllen….“, feixte er und kniff dabei ein Auge zu.

„Ich würde sagen, ich gehe jetzt, damit du deiner Kreativität freien Lauf lassen kannst! Aber eine Bedingung habe ich – alles, was du an neuen Rezepten hervorbringst, möchte ich vorab probieren.“

„Mmh, das lässt sich einrichten. Komm heute Abend wieder – ich werde dir einen Teller zusammentellen. Doch jetzt muss ich neue Anweisungen geben, die anderen tuscheln schon und schauen interessiert rüber, weil wir so lange beisammen stehen…“

Mit einen freundlichen Nicken verließ Onni die Backstube und fragte sich, für welche Gebäcksorten Amelie sich wohl entscheiden würde.

Die wundervollsten Gerüche von Anis, Zimt, Korriander und Muskat zogen durch den Himmel, was selbst Petrus nicht entging. Erwartungsvoll hielt er seine Nase in den Wind und er spürte, wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Das hatte er schon Ewigkeiten nicht mehr erlebt.

Als Onni am Abend erneut in der Backtube erschien strahlte Amelie über das ganze pausbäckige Gesicht.

„Hier ist der versprochene Teller.“

Sie reichte ihm einen tiefen Suppenteller mit Zimtherzen, Rosengebäck, gefüllten Mürbchen, dem Huckelkuchen und Baumkuchen. Dazu füllte sie ihm etwas Punsch in ein Glas.

„Was ist das?“

„Apfelpunsch! Probier mal!“

„Das schmeckt ja großartig.“

„Ich weiß! Daher habe ich mir etwas überlegt…“

„AMELIE – was willst du von mir?“ Onni runzelte die Stirn.

„Ich habe reichlich Huckelkuchen und Baumkuchen gebacken – den erhalten die Engel zu Weihnachten, aber ich wünsche mir ein großes Lagerfeuer… für alle. An dem wir Stockbrot… und Bauchspeck grillen…“, stotterte sie unter seinem streger werdenden Blick.

„Das wäre dann heute schon der zweite Wunsch“, räusperte er sich mit bewegungsloser Mine.

Mit keiner Silbe erwähnte er, dass er es für eine großartige Idee hielt. Endlich bekam er Verstärkung! Traditionen hin oder her – sie waren gut, ja, wenn auch manchmal etwas verstaubt. Onni fand, man musste auch etwas Neues ausprobieren und nötigenfalls miteinander kombinieren. Endlich gab es jemanden, der wie er, mit neuen Ideen und der Begeisterung Neues ausprobieren zu wollen.

Mit unbewegtem Gesicht antwortete er: „Also gut, ich werde sehen, was ich tun kann und vorsichtig bei Petrus anklopfen.“

In seinem Innersten jubelte er. Er hatte sooo lange darauf gewarteter - und dieses Mal war nicht wieder er derjenige, der etwas umsetzen wollte, frohlockte er.

Petrus sah Onni entgeistert an. „Was… will… sie...? Wir können nicht mal eben mit den Traditionen brechen! Du solltest das mittlerweile begriffen haben.“ Petrus Stimme überschlug sich vor Empörung.

„Tja, aber gegen Wünsche kann ich nichts machen“, erwiderte Onni sanft.

Er hatte gelernt, dass es besser war Petrus in dieser Stimmung nicht mit Widersprüchen zu reizen.

„Ihr Wunsch…! Ihr Wunsch…!“, echote er.

Onni wartete, bis sich das aufbrausende Temperament etwas gelegt hatte.

„Was soll ich ihr sagen?“, fragte er sehr leise.

„Ach, macht doch alle, was Ihr wollt“, brummte Petrus angesäuert und vertiefte sich wieder in seine himmlische Post.

Onni war erleichtert. Immerhin hatte er kein Verbot ausgesprochen. Sogleich lief er in die Backstube. Erwartungsvoll schaute Amelie ihm entgegen.

„Nun sag schon, was hat er gesagt?“

„Im Grunde ist er nicht einverstanden damit…, doch er hat es bislang auch nicht verboten. Hör zu, lass ihm eine Kostprobe von deinem Baumkuchen bringen – dick mit Zartbitterschokolade überzogen! Ich weiß, Petrus hat eine Schwäche für Schokolade…,! Aber wehe dir, du sagst ein Sterbenswort zu jemanden“, warnte Onni.

 

Am selben Abend gab ein Bäckerjunge eine dunkelblaue Schachtel mit Sternen bei Petrus ab, ehe der sein Büro verließ.

„Was willst du“, brummte er ungnädig, da ihm die Sache mit Amelies Wunsch den ganzen Tag durch den Kopf gegangen war.

„Ich soll…, ich bringe Euch“, stotterte er verlegen „etwas abgeben.“

Rasch drückte der Junge dem verduzt dreinblickenden Petrus die Schachtel in die Hand und lief um die nächste Ecke.

Petrus drehte und wendete die Schachtel – kein Absender! Allerdings nahm er einen feinen Geruch von Rum und Schokolade wahr. Bedächtig öffnete er die Schachte und staunte. Eine Blüte aus Kuchen und feinsten Schokoladenblättern lag im dezent nach Rum duftenden Papier.

Amelie lugte vorsichtig hinter der Ecke hervor, um die der Bote kurz vorher verschwunden war.

Sie konnte es vor Neugier kaum aushalten.

Vorsichtig kostete Petrus ein Stück. Schloss seine Augen. Lies es genießerisch auf der Zunge zergehen. Mit geschlossenen Augen sagte er:

„Also gut! Meinetwegen soll Onni dir deinen Wunsch erfüllen. Ich weiß dass du dich hinter der Ecke versteckt hast, Amelie. Aber eines lass die gesagt sein – noch einmal falle ich auf deinen Bestechungsversuch nicht herein!“ Noch während er sprach, schob er sich genießerisch ein weiteres Stück Kuchen in den Mund.

So kam es, dass an Weihnachten ein großes Lagerfeuer brannte, an dem alle Engel ihren Platz fanden und sich Amelies Wunsch von Stockbrot mit Bauchspeck erfüllte.

Sie wusste sogar, was sie sich zum kommenden Christfest wünschen wollte..., doch davon erzähle ich Euch ein anderes Mal.

 

Rezept für gefüllte Mürbchen

250 g Mehl

65 g Zucker

1 Ei

40 g Butter

1 Teelöffel Anis

½ Päckchen Backpulver

Rote Marmelade für das Grübchen in der Mitte

Aus Butter, Zucker und dem Ei eine Schaummasse herstellen. Sämtliche Zutaten unterheben und durchkneten. Auf ein gefettetes Backblech kleine Kugeln (z. B. mit dem Teelöffel ausstechen) aufsetzen und in der Mitte eindrücken. Die feste Marmelade einfüllen und bei mittlerer Hitze goldbraun backen. (Die Kugeln weit auseinander setzen, da sie beim Backen aufgehen).

Vielen Dank für dieses alte, erprobte Backrezept an Familie von Lengerke, die es freundlicherweise zur Verfügung stellte!

Erschienen ist diese Geschichte im Papierfresserchenverlag im aktuellen Weihnachtsbuch - Wünsch dich ins Wunderweihnachtsland Band 16

 

 

Kein Ort zum Verlieben!

Gedankenversunken lief Paula über die schief stehenden Waschbetonplatten, die zur kleinen Kapelle führten. Sie kannte jede Unebenheit des Weges und wäre ihn sogar mit verbundenen Augen entlanggegangen. So oft kam sie her.

An der Weggabelung hielt sie sich links. In Gedanken zählte sie bereits die Schritte, ehe sie erneut abbog und vor dem Grab von Mann und Tochter stehen blieb.

Mechanisch nahm sie die Blumen der vergangenen Woche aus der Vase, zupfte welke Blätter von den Büschen und griff auf dem Rückweg vom Kompostgitter nach einer Kanne Wasser. Viel zu oft war sie in den vergangenen vierzehn Monaten diesen Weg gegangen.

Anfänglich zwei Mal am Tag. Sie hielt stumme Zwiesprache mit Mann und Kind, sah keinen anderen Lebenszweck, als sich um das Familiengrab zu kümmern. Als die Trauerarbeit sie übermannte schaffte sie es in ihrer Depression nur noch einmal in der Woche ans Grab.

Langsam ließ ihr der Schmerz etwas Raum, gab ihr wieder Luft zum Atmen, ihrer Seele ein wenig Kraft und überfiel sie nicht mehr mit dieser fürchterlich intensiven Heftigkeit. Paula wollte nicht zerbrechen an ihrem Kummer und der Schwärze in ihrer Seele. Langsam kämpfte sie sich zurück ins Leben, welches nie mehr so sein würde, wie zuvor...

Sechs Monate später gab es plötzlich eine weitere Grabstelle neben dem ihrer Familie. Eine junge Frau, die an Krebs erkrankte und sehr rasch verstarb. Der Witwer kam täglich, so wie sie selbst in jener schweren Zeit.

Auch heute stand er reglos im Gebet vertieft vor der Grabstelle. Anfänglich nickten sie sich in höflichem Abstand zu. Im Laufe der Zeit ergab es sich, dass sie einander freundlich grüßten. Irgendwann, als sie gemeinsam den Friedhof verließen, waren sie ins Gespräch gekommen. Ihre Gespräche, anfänglich kurz und oberflächlich vertieften sich. Beide vertrauten sich in ihrem Kummer all das Leid an, was Familie und Freunde nicht verstanden, oder wo die Empathie über das Fehlen des geliebten Menschen mit dem man lebte, vermutlich fehlte.

Der Mann hieß Matthias. Er war Gewürzhändler aus dem Hamburgischen. Hingebungsvoll lauschte Paula seinen Ausführungen über Salbei und seine Eigenschaften. Sie erfuhr interessante Details über den Pfefferanbau oder Safran. Er reiste viel durch die Welt, wo er seine Einkäufe tätigte, seine Frau hatte ihn so oft wie möglich begleitet.

Matthias schätzte Paulas stille Art ihm zuzuhören und erfuhr, welches Schicksal ihr zuteil geworden war. Paula war Anwältin wie ihr verunglückter Mann. Bei einem gemeinsamen Ausflug mit der Vespa war das Unglück geschehen. Matthias teilte ihren Schmerz, verstand ohne viele Worte wie sich sich fühlte, las in ihrem Gesicht. Ohne es zu bemerken oder zu wissen gaben sie sich im Laufe der Zeit einen bindenden Halt, der Trauer, Schmerz und den Verlust kleiner werden ließ. Zwei gleichgesinnte Seelen verbunden im Verlust wie Schnert ihres Lebensglücks.

An ihren „Friedhofstagen“ hielt der jeweils Andere Ausschau und wartete voll Erwartung – beinahe mit einer beginnenden Vorfreude auf das Wiedersehen - auf den Gesprächspartner. So auch an jenem verhängnisvollen Samstag.

In der Gärtnerei hatte Paula zwei Sträuße mit Herbstblumen binden lassen. Beide identisch, von schlichter Eleganz. Es sollte die Verbundenheit zwischen den Verstorbenen und Hinterbliebenen symbolisieren....

Auf dem Friedhof strauchelte Paula an der Grabumrandung und stürzte auf das linke Knie. Ihre Handtasche hatte sie auf dem Stein abgelegt, die sie jetzt nicht erreichen konnte. Aufstehen war unmöglich und ein Stock oder anderer Gegenstand war nicht greifbar. An ihr Handy konnte sie nicht gelangen, weit und breit war kein Mensch zu sehen.

„Ausgerechnet jetzt“,,,, schalt sie sich selbst eine dumme Gans. Sie würde sich gedulden müssen bis Matthias oder irgendwer zur Hilfe kam.

Endlich betrat er den Kiesweg. Erschrocken lief er zu ihr hin. Paula, was ist geschehen?“ Sogleich wollte er ihr aufhelfen, doch sie stöhnte vor Schmerzen und sackte beim Versuch aufzustehen zusammen.

„Ich rufe den Notfallwagen“, entschied er mit Entschlossenheit.

„Ein Notfallwagen auf dem Friedhof – das wird für Gesprächsstoff sorgen“, antwortete sie nicht ohne Sarkasmus.

„Ich würde dich auf der Stelle selbst in die Klinik bringen. Die einzige Möglichkeit wäre dich zu Tragen, zur Not auch Huckepack“, erwiderte er sanft, „aber ich fürchte deine Schmerzen sind zu groß, also überlassen wir es den Fachleuten.“ Mit einem besorgt liebevollen Blick sah er sie an. An ihrem verkrampften Gesicht erkannte er das Ausmaß ihrer Schmerzen.

Er hockte sich neben sie und legte wie selbstverständlich den Arm um sie. Dankbar lehnte sie sich an ihn. Es entstand ein wohltuendes Schweigen zwischen ihnen.

„Es ist schön, sich nicht immer erklären zu müssen“, hauchte sie plötzlich.

Überrascht sah er sie an und lächelte versonnen.

Er wandte den Kopf zum Grab seiner Frau und sagte leise: „Verzeih mir Liebling – du bist auf ewig in meinem Herzen – doch ich muss ohne dich weiterleben. Dann wandte er sich wieder Paula zu und hauchte ihr einen zarten Kuss auf die Stirn. „Du hast nichts dagegen, wenn ich dich in die Klinik begleite?“, fragte er leise als die Sanitäter den Kiesweg entlangkamen.

Statt einer Antwort gab ihm Paula einen „schmetterlingszarten Kuss“ – als Versprechen für Kommendes.

 

 

Sonntagnachmittag bei Tante Änne im Zechenhaus

Es gibt Erlebnissse und Begebenheiten, die einem aus der Kinderzeit im Kopf bleiben. Kindergeburtstage, langweilige Verwandtentreffen oder sonntägliche Besuche bei den ältichen Tanten. Meine Cousine war zehn Jahre älter als ich und hatte somit wesenlich mehr solcher Besuche und Feierlichkeiten erlebt und mitgemacht. Vor einigen Jahren frischten wir gemeinsam unsesre Erinnerungen auf. Merkwürdigerweise hatten wir dieselben Dinge im Kopf, was ich bei unserem Alterunterschied recht beeindruckend fand.

So gab es am Haus von unserer Großtante Änne eine Brombeerhecke. Die älteren Cousinen und Cousens naschten immer von den reifen Beeren, während wir beide wegen der fiesen Dornen eher Abstand hielten. Es gab keine Wiese zum Spielen, nur Gemüsebeete und ihre Wäscheleinen zu beiden Seiten.Schlimm fanden wir auch, den Kindertisch in ihrer Küche. Keines der Kinder durfte an ihrer großen Kaffeetafel sitzen. Kinder durften nicht reden wenn die Erwachsenen sprachen und in der Küche gab es für uns alle nur einen kleinen Krug mit Milch und einen mit Kakao. Wenn man nicht schnell genug war, bekam man von beiden Krügen nichts zu trinken ab, da die Jungen die Krüge nicht aus der Hand gaben. Zu allem Übel mussten wir Mädchen den Abwasch machen, während die Jungs Fußball spielten. Wir Mädchen fanden das schon recht ungerecht.

Da hatte unsere älteste Cousine eine Idee: Sie konnte sich nicht mit der Ungerechtigkeit abfinden, dass wir Mädchen den Abwasch machen sollten, während die Jungs alle Freiheiten genossen. Jungen zählten bei Tante Änne mehr als Mädchen. Schlielich trugen sie den Namen der Familie weiter und waren in ihren Augen nützlicher für den Fortbestand der Familie...!

Heidelinde zog uns ins Vertrauen. "Ich habe ein Gehimmittel bei mir", erzählte sie. Was es war, verriet sie uns nicht. Vermutlich wollte sie vermeiden, dass sich eine von uns verplapperte. Sie schlich durch den Keller nach draußen und rieb die Sitzfläche des "Open-Air-Klo" mit besagter Substanz ein. Irgendwann mussten die Jungs nach dem reichlichen Genuss von Milch und Kakao ja mal auf die Toilette...

Als ahnte Tante Änne, dass etwas im Gange war, betrat sie die Küche. Heidelinde war gerade noch rechtzeitg zurückgekommen und griff erneut nach dem Trockentuch. "Seid ihr immer noch nicht fertig?", fragte Tante Änne biestig. Als sie sah, dass fast alle Teile in den Schrank geräumt waren, entließ sie uns aber gnädig aus dem Küchendienst. "Ihr dürft noch ein wenig hinaus gehen. Wehe euch, wenn die Kleider schmutzig werden", drohte sie mit erhobenen Zeigefinger und kramte ihren selbstgemachten Likör aus dem Vorratsschrank hervor. Betont langsam verließen wir die Küche. Im Grunde brannten wir darauf zu sehen, was passieren würde, wenn der Erste vom "Donnerbalken" kam, wie wir heimlich das vorsintflutliche Klo nannten. Es stank dort und im Sommer gab es dort mächtig viele Fliegen und Spinnen. Außerdem hatten wir Kleinen Angst durch die Öffnung zu fallen...

Wolfgang war der Erste, der den "Donnerbalkenn" verließ. Innerhalb kürzester Zeit kratzte er sich ständig am Hossenboden - auch Walter schien einen permanten Juckreiz zu verspüren. Fritzchen war pfiffig genug sein Geschäft in die Botatik zu verlegen. Er hatte Lunte gerochen, während die anderen Jungs sich über ihre geröteten Hinterteile wunderten. Wir Mädchen ließen uns nichts anmerken und hielten dicht. Keine hat etwas verraten oder gepetzt. Die Erwachsenen hingegen konnten sich nicht erklären, wie ausgerechnet Juckpulver auf Tante Ännes Holzsitz kam.

Zum Glück dauerte es nur noch ein Jahr, bis Tante Änne eine Toilette mit Wasserspülung im Keller des Hauses installieren ließ - was unsere Besuche bei ihr etwas erfreulicher machte.

 

September Blues

Es gibt Zeiten im Jahr, da hat man den Kopf voller Erinnerungen oder man wird etwas Melancholisch. Bei mir ist das hin und wieder im September so. Zwar mag ich den Herbst und seine bunten Farbenspiele, dennoch gibt es Momente, in denen auch ich innehalte und Erinnerungen nachhänge.

Wenn mich dann wirklich einmal der Septemberblues erwischt - wie ich es für mich nenne - gibt es nur einen Weg. Ich packe meinen Wanderrucksack und suche mir einen Wanderweg aus, auf dem ich für einige Stunden unterwegs bin. Meist geht es mir nach dieser Tour wieder gut und meine Gedanken sind sozusagen verarbeitet.

Im Gepäck habe ich eine sehr alte Sammeltasse von meiner Großmutter, aus der ich meinen mitgenommenen Kaffee trinke und ihre alte Taschenuhr. Unterwegs suche ich mir ein schönes Gebiet, in dem ich Rast mache. Das kann sowohl im Wald auf einem Baumstumpf sein, an einem See oder Fluss, ebenso auf einem Deich oder Bank im Park. Hier in der Natur fühle ich mich verbunden mit den Menschen, die nicht mehr da sind, denen ich mich aber verbunden fühle. Manchmal führe ich ein kurzes gedankliches Gespräch, ein anderes Mal erinnere ich mich an gemeinsam erlebte Situationen. Fakt ist, ich lasse meinen Gefühlen Raum, begegne ihnen und lasse sie zu. Das Zwitschern der Vögel, wie das Hämmern eines Spechts, die Beobachtung wie ein Reiher einen Fisch fängt oder einfach das Rascheln bunter Blätter in den Baumkronen helfen mir dabei, meine Gedanken neu zu ordnen und "die Farben meiner Seele zu erneuern" so dass ich mich wieder geerdet fühle.

 

Der Kansas City Koffer

"Im Koffer muss einiges verstaut werden, wenn ihr eine zweiwöchige Klassenfahrt unternehmt und auch die Bettwäsche mitnehmen müsst", bemerkte meine Mutter. In Gedanken überlegte sie bereits, welche Reisetasche oder welchen Koffer ich mitnehmen sollte. "Im Bus werden die Koffer von drei Schulklassen tüchtig durchgeschüttelt, da gibt es gewiss einige Kratzer. Wir nehmen einen von Opas alten Koffern. Die sind wenigstens stabil, der kommt heile und nicht verformt an der Küste an", entschied sie.

Der schwarze Koffer war tatsächlich recht stabil und groß genug für all die Sachen, die notwendigerweise mitgenommen werden sollten. Unter anderem auch Gummistiefel für die Wattwanderung. Das einzige Manko des Koffers war die Oberflächenbeschaffenheit. Er besaß eine Art "schwarzen Reptilienprint". Das würde unter den Schulkameraden für Gesprächsstoff sorgen. Für die Reise wurde er mit einem dunklen Kofferschonbezug geschützt, so dass die Jungs aus meiner Klasse nicht auf dumme Gedanken kamen, Schabernack damit zu treiben.

Einen Vorteil hatte die Sache - ich fand meinen Koffer auf den ersten Blick zwischen all den Taschen und teilweise gleich aussehenden Koffern, die in der momentanen Trendfarbe rehbraun verkauft wurden. Meine Mutter hatte Recht behalten, einige Lederkoffer waren ziemlich zerkratzt, eine Tasche sowie ein Koffer hatte Blessuren in Form von aufgeplatzten Reißverschlüssen und abgeschalgenen Schlössern erlitten.

Natürlich dauerte es nicht lange und die ersten Klassenkameraden kamen auf die Mädchenzimmer. Rolf war der Erste, der meinen Koffer unter dem Bett entdeckte. "Mensch, der ist ja cool - woher haste den denn?", fragte er anerkennend. "Ach, der ist von meinem Opa und schon etwas älter", setzte ich zur Erklärung an, als der nächste Klassenkamerad johlte: "So einen will ich auch haben - der sieht aus, als hätte dein Opa damit den Wilde Westen bereist..."

Die Geschichte sprach sich rasch herum und die Jungs aus sämtlichen Klassen standen Schlange, damit sie sich den Wild-West-Koffer, wie er mittlerweile hieß, ansehen konnten... Hätte ich von jedem eine Mark bekommen, wäre mein Norddeichtaschengeld dabei rumgekommen. Nie hätte ich gedacht, dass dieses alte Teil, für das ich mich insgeheim sogar etwas genierte, soviel Aufmerksamkeit erlangen würde. Mittlerweile waren schon einige der älteren Mädchen neidisch auf diese ungeteilte Aufmerksamkeit. Innerhalb der ersten Woche kursierten die wildesten Geschichten über mein Gepäckstück, sogar der Lehrer aus der Parallelklasse sprach mich darauf an. Langsam wurde es irgendwie peinlich.

Das Ganze gipfelte darin, dass die Zwillingsbrüder aus meiner Klasse sich eine geniale Story einfallen ließen und mit meinem Einverständnis rumerzählten:

Mein Uropa hätte tatsächlich die Bank in Kansas City überfallen. Meinen Koffer hätte er dazu benutzt, das Geld in einer Postkutsche aus der Stadt zu bringen. Bis heute hätte man das Geld trotz der damals ausgesetzten Belonung nicht gefunden..."

Die Geschichte machte die Runde. Wurde immer weiter ausgeschmückt. Jeder fügte ein vermeintlich wichtiges Detail hinzu. Zuletzt waren angeblich die Pferde im Grand Canyon durchgegangen und Uropa ein legendärer Revolverheld...! Meine Eltern amüsierten sich köstlich, als sie die Geschichte hörten.

Jahre später, als die Verschlüsse defekt waren und er lediglich zum Spielzeug taugte, wurde der alte Koffer das liebste Spielzeug meiner eigenen Kinder. Bauklötze oder Matchboxautos wurden eingepackt, teilweise saßen sie mit ihren Plüschtieren im Koffer und spielten verreisen. Irgendwann wurde das Innenfutter rissig und selbstverständlich das Innenleben untersucht.

Wir trauten unseren Augen kaum:  Unter dem Deckel kam ein Umschlag zum Vorschein. Als wir ihn öffneten fanden wir alte Geldscheine aus der Zeit der Währungsreform. Sogar ein 1000-Mark-Schein von 1899 war dabei. Somit enthielt die erdichtete Geschichte letzten Endes ein Fünkchen Wahrheit, auch wenn das Geld nicht aus einem Bankraub stammte...;-)

Übrigens, das nächste Klassentreffen ist in Vorbereitung, da werde ich von diesem Fund erzählen!

 

 

Internationale Babysprache (eine Kolumne aus meinem E-Book "Das Leben ist bunt")

Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass man mit einem Kind im Kinderwagen oder Hund an der Leine sehr schnell Gesprächspartner findet, oder angesprochen wird?

Schon immer amüsierte es mich, wenn Großeltern, Onkel und Tante, ebenso Bekannte und Nachbarn zu Spezialisten oder Fachleuten werden, sobald ein Baby oder Kleinkind in der Nähe ist. Plötzlich dreht sich alles um dieses Kind und plötzlich prasseln gutgemeinte Ratschläge, Tipps und Informationen auf einen nieder. Das ist harmlos im Vergleich zu den Begrifflichkeiten, die plötzlich aus dem Nichts auftauchen.Wenn nicht gerade Pruste- oder Brabbelgeräusche nachgeahmt werden, wird um die Aufmerksamkeit oder ein Lächeln gebuhlt. Sobald Kleinkinder die ersten Worte sprechen können, gehen sie "Teita...", füttern "Pilleenten" oder sehen sich "Wau-Waus" oder Muh-Kuhs" an oder sollen bei besagten Tieren "Ei machen...". Was ist eine Muh-Kuh und eine Pille-Ente? Warum kann man einem kleinen Kind nicht ganz schlicht das Wort Ente sagen? Und wie macht der "Wau-Wau"? Etwa "Hund-Hund"?

Vergangenen Sommer hörten wir einen frischgebackenen Vater aus der Nachbarschaft quer durch den Garten gröhlen: "Ja, Jan-Hendrik hast du etwa Nacka-Füße?" Um nicht laut loszulachen, spukte ich meine Getränk im hohen Bogen ins Blumenbeet. Der jüngste seiner Söhne brülle eine halbe Stunde später wie eine Sirene und kreischte lautstark nach seinem "Tutu...". Welche Bedeutung dieses Teil hatte, erfasste sogar ich auf Anhieb. Das Kind suchte seinen Schnuller! Die gesamte Familie beteiligte sich an fieberhaft an der Suche, da das arme Kind ohne "Tuttu" ja nicht "Heia-Heia" machen konnte... Schade, dass dieses Kind offensichtlich nur dieses eine Latexteil besaß und ohne selbiges nicht in den Schlaf kam.

Diese Wörterliste könnte man endlos weiterführen. Mittlerweile frage ich mich, ob es einen VHS-Kurs für diese Wortschöpfungen gibt, der sich "Internationale Babysprache für Anfänger" nennt. Zudem stehe ich vor dem Problem, dieses merkwürdige Vokabular unserem dänischen Au-Pair-Mädchen ins Englische zu übersetzen...!

 

Pechkuchen (eine Geschichte aus dem Leben)

nannte man in meiner Kinderzeit jene Kuchenstücke, die dem Bäcker misslungen, in der Auslage verrutscht oder umgekippt waren. Meist durften die Angestellten diese ihn gratis oder gegen ein kleines Entgeld mit nach Hause nehmen. Meine Oma war eine tolle Bäckerin und wenn ihr mal ein Kuchen misslungen war, sagte sie: "Heute gibt es Klietscherkuchen". Meist waren ihre Kuchen dann an einer Seite in der Form hängen geblieben und mussten mit etwas Aufwand wieder hergestellt werden... Heißt, je nach Gebäcksorte wurde Creme, Schokolade oder Zitronenglasur angerührt und der Schaden eingegrenzt, beziehungsweise ihr Kuchen quasi verklebt. Was das anging, war sie sehr erfindungsreich. Meist fiel beim Anschneiden dieser Kuchen allerdings auf, dass es ein Malheur gegeben hatte. Mich zog sie besonders gerne damit auf, wenn mir in ihrer Backform selbiges Unglück geschah, weil sie wusste, wie sehr mich das ärgerte.

Am Vortag des Schwiegerelterntreffens vor unserer Hochzeit geschah mir ein Malheuer ganz anderer Art. Es sollte einen Kuchen mit Früchten auf dem Tortenboden geben. Der Tortenboden war zu meiner Erleicherung heil geblieben, sobald ich ihn aus der Form gelöst hatte. Darüber kam eine angerührte Masse aus Sahne, Yoghurt und roter Götterspeise. Die Massenverhältnisse waren abgewogen, verrührt und gezuckert. Die Götterspeise stand zum Abkühlen parat - ich musste nur noch den richtigen Zeitpunkt vor dem Andicken abpassen, um alles miteinander zu vermengen. Auch diese Hürde meisterte ich. Sobald die Gesamtmasse etwas fester wurde, kam sie auf den Tortenboden über die Früchte. Soweit so gut - der Tortenring hielt die Masse zusammen und brachte alles in Form. Der Kuchen stand zunächst noch eine Weile auf dem Küchenschrank an der Ecke, ehe er in den Kühlschrank konnte und über Nacht schnittfest werden sollte.

Da wir noch einige andere Dinge zu erledigen hatten, kümmerten wir uns eine ganze Weile nicht um den Kuchen.

Als ich ihn nach fast zwei Stunden in den Kühlschrank stellen wollte, sah ich das Unglück:

Die Masse war fest geworden - ohne Zweifel. Jedoch hatte der Tortenring die Hälfte unter dem aufgeweichten Tortenboden ausfließen lassen. Rote Creme war malerisch am Küchenschrank entlanggelaufen und hatte sich verfestigt. Während ich mir die Haare raufte und fluchend versuchte zu retten, was noch möglich war, nahm mein Zukünftiger einen Löffel aus der Schublade, kratzte einmal am Schrank entlang um die Creme abzuschaben und schob den Löffel in den Mund. Genießerisch schwärmte er:

"Also dein Schrankkuchen ist wirklich gut gelungen..." Seit jenem Tag foppt er mich gerne mal mit der Frage, wann ich wieder einmal "Schrankkuchen" backe.

Übrigens: Der Kuchen war zwar nicht mehr so voluminös, schmeckte meinen Schwiegereltern und Eltern jedoch sehr gut - ebenso mein frischer Erdbeerboden, den ich aus der Not heraus belegt hatte

 

 

Mein blauer Gartentraum (erschienen im Papierfresserchen-Verlag in "Mein Garten und ich...")

Nach der Umbauphase des Hauses sollte es noch fast vier Jahre dauern, ehe alle Ecken und Winkel oder die Lücken im Garten ausgefüllt, bepflanzt und in zeitlicher Abfolge blühen konnten. Zwei- und mehrjährige Stauden waren eingesetzt, neue Beete angelegt, gepflastert und umsäumt. Zuletzt nahmen wir die Pergola in Angriff. Ein Torbogen bildete den Mittelpunkt, an dessen Seiten Clematis hochrankte. Leider machte der Clematis nach einem heißen Sommer bereits im Herbst schlapp, da die Nachmittagssonne ihm arg zusetzte.

Das nächste Gewächs wurde eine Kletterrose... Das Desaster: Rosen haben Dornen! Diese Erfahrung machte eines unserer Kinder auf unliebsame Weise und fiel mit dem Dreirad in selbige. Somit hatte sich die Kletterrose ebenfalls erledigt. Die Suche nach möglichst ungiftigen, kletternden oder nicht zu üppig rankenden Pflanzen für den Torbogen ging weiter.

Zunächst flankierten zwei große blühende Topfblumen die Seiten des Bogens, danach Stockrosen, bis die Kinder größer waren und weder Blüten noch Blätter abzupften, ihre gesamten Basket- Feder- und Fußbälle darin versenkten, oder ihre Pfeile darauf schossen.

In der Zwischenzeit hatten wir auf der gegenüberliegenden Seite einen Blauregen eingepflanzt, dessen Triebe sich einen Weg suchten und zuletzt Halt an den Zwischenstreben fanden. (Mittlerweile steckten unsere Kinder nicht mehr alles in den Mund)…. Noch sah die Pflanze eher bescheiden aus. Gewiss würde es einige Jahre brauchen um die Seite komplett zu begrünen.

Die Kinder wurden älter, ebenso der Blauregen, dessen üppig ausladendes Blüten- und Blätterdach sich mittlerweile über die gesamte Länge der Pergola wie den Torbogen erstreckte. Die Belohnung der guten Pflege folgte nach beinahe zehn Jahren Wachstum. Ein wundervoller blauer Blütentraum zeigte sich im Frühjahr. Es duftete nach Frühling, begleitet vom Summen hunderter Hummeln und Wildbienen. Immer wieder schweiften unsere Blicke über die Pergola, an deren Pracht wir uns täglich erfreuten, da jetzt auch Schmetterlinge die Blüten aufsuchten.

Es wurde Herbst. Die Blätter der Laubbäume verfärbten sich rot-golden, selbst der Blauregen blühte zum dritten Mal in diesem Jahr. Die Natur zeigte ein letztes furioses Farbspektakel, ehe der Winter mit massivem Schneefall und langanhaltenden Frostphasen Einzug hielt.

Das Frühjahr kam. Tulpen und Narzissen blühten, erste Knospen am Rhododendron wuchsen, nur der Blauregen schien den Frost nicht überstanden zu haben. Kein Austrieb, keine Blüte, kein Blatt zeigte sich, obwohl es bereits Ende April war! Traurig beschlossen wir, die Pergola bis Ende Mai vom tristen, mittlerweile knorrig verwachsenen Blauregen zu befreien, der vermutlich nie mehr blühen würde.

Nach einigen Sonnentagen mit Temperaturen um zwanzig Grad geschah das Wunder:

Der Stamm trieb erstes Grün, Ranken bildeten sich aus, Blüten erschienen. Der Garten erwachte zu neuem Leben. Es duftete wieder - und mit dem Blütenduft kehrten Hummeln, Bienen und Schmetterlinge zurück. Der blaue Blütentraum war, wie Dornröschen, aus dem Tiefschlaf aufgewacht…


 

Rotwein, Rauchschwaden und Romantik (erschienen im Wendepunkt-Verlag Weiden)

Kristin sah ihre Freundin Janette mit einem Gesichtsaudruck von Ungläubigkeit und Mitleid an.

"Das glaube ich nicht! Du hast dich in Matthias verliebt? Ausgerechnet in ihn, den charmanten Frauentyp? Ich denke du verbringst zu viel Zeit mit deinen Studienbüchern und Matthias!"

Die Freundinnen hatten einen der begehrten Plätze in einem Straßencafe der Hamburger City ergattert, obwohl viele Menschen in der Stadt unterwegs waren.

"Es ist einfach passiert...," verteidigte sich Janette bekümmert.

"Du und Matthias kennt einander ein halbes Leben. Wenn er Mist machte, hast du ihm geholfen. Könnte es sein, dass er dich ausnutzt, nur so ein bisschen?"

Kristin war ernsthaft besorgt.

"Ich erinnere mich, dass du während des Studiums einmal seine Freundin gespielt hast. Er wurde die Andere los, weil sie bereits vom Heiraten und Kinderkriegen sprach...", sinnierte Kristin laut.

"Kristin, ich weiß, dass seine Beziehungen nie lange hielten, aber ich kenne ihn. Jedes Lächeln, seinen Gesichtsausdruck, wenn ihm etwas missfällt, wie er die Augenbrauen hochzieht und seine Augen funkeln...!"

"Ist ja schon gut, Janette. Ich verstehe es", warf Kristin ein.

"Vielleicht habe ich mich bereits vor Jahren in ihn verliebt. Jetzt muss ich wissen, wie er zu mir steht", sprach Janette weiter. "Ich will mehr für ihn sein, als eine Freundin für Notfälle!"

"Eine tolle Idee", bemerkte Kristin ironisch. "Von der lieben, stets hilfsbereiten Janette, die springt, wenn er pfeifft, zum Vamp?"

"Ich sage es nur ungern, aber weißt du eigentlich, dass er bis vor wenigen Wochen mit einer Studentin liiert war, die reiche Eltern hat? Sie trägt Klamotten namhafter Firmen, Markenschuhe aus Mailand, sieht dazu wahnsinnig gut aus mit ihren langen braunen Haaren."

"Woher weißt du von seiner Freundin?", fragte Janette argwöhnisch.

"Zufällig traf ich sie beim Shoppen und Matthias kam nicht umhin, sie mir vorzustellen."

"Janette, wie willst du es schaffen, dass Matthias auf dich abfährt? Du passt nicht in sein Beuteschema!"

"Hilf mir meinen braven Typ zu ändern - schließlich bist du Kosmetikerin", bat Janette.

"Ein wenig Make up, eine andere Frisur und etwas aufreizendes anzuziehen, dass lässt sich ändern." Kristin lächelte Janette an, auch wenn sie wusste, das es wenig Sinn machte, der Freundin bei diesem Plan zu helfen, da er nach ihrer Meinung zum Scheitern verurteilt war.

Nach einigen Tagen hingen einige neue Kleidungsstücke in Janettes Kleiderschrank. Ihre Haare schimmerten rötlich und waren perfekt durchgestylt. Sie trug einen engen grauen Schlitzrock mit ebenso eng anliegendem Oberteil und Pumps.

Sie hatte Matthias zum Abendessen eingeladen und vorgegeben, etwas Wichtiges mit ihm besprechen zu wollen.

Pünktlich zur verabredeten Zeit klingelte Matthias, doch Janette öffnete nicht. Irritiert sah Matthias auf seine Uhr. Stattdessen hörte er jemanden im Hausflur poltern. Janette kam, beladen mit Einkaufstüten die Treppe hinauf. Matthias blieb erstaunt stehen, als er Janette erkannte. Dann musterte er sie von oben bis unten.

"Könntest du mir bitte ein paar Sachen abnehmen", fragte Janette ihn mit unschuldigem Augenaufschlag, den sie Studen zuvor im Spiegel geübt hatte.

Er ging auf sie zu und griff nach den Taschen von Boutiquen und einer Parfümerie.

Als sie Janettes Dachwohnung betraten, fragte Matthias mit rauer Stimme: "Hast du ein Bier für mich?"

"Bedien dich, im Kühlschrank!"

Nach dem ersten Schluck vom Bier musterte er sie erneut und fragte verwundert:

"Sag mal, hast du heute noch etwas vor, oder warum hast du dich so schick gemacht?"

"Morgen habe ich ein Date mit einem sehr netten Studienfreund. Ich war beim Frisör und shoppen, daher hat alles länger als geplant gedauert. Jetzt müssen wir eben zusammen das Essen zubereiten!"

Matthias nickte überrascht. Als er ihr folgte, grinste er sie an und sagte: "Zieh dich erst um, sonst werden die tollen Klamotten schmutzig! Du willst morgen doch glänzen oder?" Seine Stimme klang freundlich, doch seine Augen funkelten zornig, während er das sagte. Janette fiel sofort auf, dass er verärgert war.

Als sie die Küche wieder betrat, trug sie einen langen, fast durchsichtigen Rock und eine enge ärmellose Bluse mit einem tiefen Ausschnitt. Matthias bedachte sie mit einem undefinierbaren Blick, als er sie so sah.

Da sie vorab besprochen hatten, was es zum Essen gehen sollte, schälte er bereits die Kartoffeln, während sie nach den Putenschnitzeln griff und sie würzte. Danach legte sie das Fleisch in die Pfanne und schaltete den Herd ein.

"Möchtest du einen Wein zum Essen", unterbrach sie die Stille. Er nickte zustimmend und blieb wortkarg.

Sie beugte sich hinunter und sah im untersten Schrankfach nach dem Wein. Janette spürte seinen Blick im Rücken und erhob sich betont langsam und lasziv.

"Es ist nur noch Rotwein da, wäre dir das Recht?"

"Gern!"

Sie stellte zwei Gläser auf die Arbeitsplatte.

Plötzlich räusperte sich Matthias, warf das Schälmesser wütend auf die Arbeitsplatte und fragte ärgerlich:

"Verflixt Janette, was spielst du für Spielchen, musst du dir plötzlich mit Gewalt einen Typen angeln?"

Janette war von seiner Reaktion überrascht, blickte ihn erschrocken an. Matthias hatte nicht das Recht, so mit ihr zu sprechen! Sie beherrschte sich, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und antwortete leise: "Ich will mir niemanden angeln Matthias. Du müsstest es eigentlich besser wissen, da du mich seit Kindertagen kennst!"

"Warum dann die getönten Haare, aufreizende sexy Klamotten - ich verstehe dich nicht! Du benötigst diesen Tand nicht!"

Das war zu viel für sie. Sie nahm einen großen Schluck Rotwein aus ihrem Glas und polterte los:

"Das sagst ausgerechnet du! Der Jenige, der jeder Frau mit den höchsten Pumps, den rötesten Fingernägeln und tiefsten Ausschnitt hinterher sieht und sie anmacht. Du, der sich als charmanter Unterhalter und Frauentyp mit Aufreißerqualitäten gibt und...". Sie brach mitten im Satz ab. Janette wusste, sie hatte zu viel gesagt! Zu viel von ihren Gefühlen verraten! Nicht er, sondern sie war in die Falle getappt. Erschrocken über ihre eigenen Worte sah sie ihn an.

Matthias ging zwei Schritte auf Janette zu, umfasste ihre Schultern. Überrascht sah er sie an.

"Du bist eifersüchtig, du wollstest mir gefallen...?"

Sekundenlang starrte er sie sprachlos an. Dann riss er Janette unsanft in seine Arme und drückte seine Lippen hart auf ihre. Langsam wurde sein Kuss sanfter und leidenschaftlich.

Während seine Zunge ihren Mund erkundete, schlang sie die Arme um seinen Hals.

"Hör nicht auf", flüsterte sie.

Seine Lippen wanderten über ihren Nacken. Plötzlich fühlte sie sich aufgehoben. Matthias trug sie zur Couch.

"Du magst mich, wie ich bin", fragte sie ungläubig.

Matthias sah ihr fest in die Augen und antwortete ihr:

"Ich habe dich immer gemocht, irgendwann war es Liebe. Nie hielt einer meiner Freundinnen den Vergleich zu dir stand. Eigentlich suchte ich immer nur dich in den anderen. Außerdem hat mir noch nie jemand so heftig die Meinung gesagt und dabei so angeschrieen wie du! Wo wir gerade dabei sind, das Date morgen kannst du vergessen!"

Während sie sich wieder und wieder küssten, brach eine Welle des Glücks über sie herein.

Als sie glücklich nebeneinander lagen, stieg ihnen plötzlich der Geruch von angebrannten Fleisch in die Nase, welcher sie in die Wirklichkeit zurückholte. Erschrocken griff Janette nach Matthias Hemd und warf es sich über, während Matthias unbekleidet in die Küche stürmte. Dicker Rauch vernebelte die Sicht. Matthias riss das Fenster auf, Janette schaltete die Herdplatte aus. Es stank entsetzlich. Sie entsorgte die Schnitzel in den Mülleimer.

Matthias sah Janette liebevoll an und fragte plötzlich: "Was wolltest du eigentlich mit mir besprechen?"

"Oh Gott", schoss es Janette durch den Kopf, "daran habe ich überhaupt nicht gedacht..." Fieberhaft suchte sie nach einer Ausrede. "Ich, .... ich kann immer noch nicht gut kochen, Matthias", stammelte sie schließlich verlegen, weil ihr so rasch nichts besseres einfiel.

"Das macht nichts! Dafür habe ich es während des Studiums gelernt.

"Aber du bist eine Künstlerin in Sachen Verführung...", sagte er mit volltönender Stimme. Langsam ging er auf sie zu und lächelte, dabei sah er sie mit seinen dunkel funkelnden Augen verführerisch an. Diesen Blick kannte Janette noch nicht und wollte unbedingt alles darüber erfahren!

 

 

"Eigener Herd ist Goldes Wert...."

Diese Redewendung war bislang eher ein Sprichwort für mich, welches mir im Herbst 1989 eine völlig neue Sichtweise bescherte:

Dieser Herbst und der darauffolgende Winter waren geprägt von zahlreichen Sturm- und Orkantiefs, die in den Küstenregionen erhebliche Schäden hinterließen. Besonders in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern gab es durch umgestürzte Bäume Behinderungen auf den Straßen und Wegen mit Stromausfällen und Versorgungslücken.

Einen geringen Teil der Ausmaße des Sturmtiefs sahen wir bereits von der Autobahn aus. Schon am Ortseingang gab es einen Aushang, dass der kleine Konsum im Ort seit Tagen wegen Versorgungsschwierigkeiten geschlossen war.

Kaum im Ort angekommen, erfuhren wir von meiner Großmutter, dass es niergendwo in der Umgebung Batterien, Streichhölzer oder Kerzen zu kaufen gab. „Nachdem der Sturm angekündigt worden war, gab es Hamsterkäufe. Binnen zwei Stunden war alles ausverkauft“, erzählte unsere Oma. Glücklicherweise hatten wir vor Fahrantritt an Batterien, Kerzen, Feuerzeuge und Streichhölzer inklusive Gascartuschen gedacht. So konnten wir zunächst Abhilfe schaffen. Diverse Hygieneartikel hatten wir zur Sicherheit auch  eingekauft. Eingelagerte Kartoffeln aus dem Garten lagen im Keller, unser vorgekochtes Mittagessen stand in der Kühltasche bereit zum Aufwärmen. Als wir den Kachelofen anfeuerten, qualmte es erst einmal, da die Feuchtigkeit aus dem Kamin entweichen musste...

Am Folgetag nutzen wir die Wärme des alten Herdes in Omas Küche zum Kochen und Braten. Mit dem „Tickeisen“, welches in die Mittelöffnung des Herdes eingesetzt wurde, buken wir frische Waffeln und brühten den Kaffee von Hand dazu. Der Strom konnte drei Tage später immer noch nicht in jeden Ort eingeschaltet werden.

An den Abenden saßen wir bei Kerzenschein zusammen, aßen selbstgebackene Brötchen und eingeweckte Sülze aus dem sogenannten „Winterfundus“ meiner Großmutter. Auf diese Weise waren wir unabhängig vom Strom und in der Lage die notwendigen Nahrungsmittel selbst herzustellen. Welche vielfältigen Möglichkeiten ein alter Herd eröffnet, haben wir in jenem Herbst erfahren.

Ganz im Vertrauen: Jedes Mal, wenn ich im Baumarkt einen ähnlichen Ofen sehe, überlege ich, ob es möglich ist, ihn an unseren alten Kamin anzuschließen – jedoch ohne die Geister des Qualms zu beschwören… :-)

 

 

Brautwerbung Anno dazumal:(Erschienen im Wendepunkt-Verlag Weiden - Backstubenduft)

(Aus dem Leben)

Die Brautwerbung war in früheren Zeiten nicht leicht. Man musste noch bei den Eltern um die Hand der Auserwählten anhalten, eine angemessene Verlobungszeit einhalten. Zudem durfte das Paar nur im Beisein eines Familienmitgliedes zusammen sein, so dass ein Kennenlernen, sofern man sich nicht aus der Schule kannte, fast unmöglich war. Es sei denn man lebte auf dem Land. Oftmals wurden Ehen arrangiert. Meist kannte jemand aus der Familie jemanden für die Tochter des Hauses, der als passender Ehekandidat in Frage kam.

Viele Gründe spielten für die Eheschließung eine Rolle. Mal waren es Geld, Grundbesitz, ein klangvoller Name oder Beziehungen, die im Hintergrund standen. Da die Familien mit vielen Kindern gesegnet waren, wurden die ältesten Töchter rasch verheiratet... falls der Mann dem Krieg zum Opfer fiel, waren die hinterbliebenen Witwen versorgt.

Häufig blieben die jungen Menschen zwei Fremde, die sich wenige Male vor dem Ehegelöbnis sahen und deren Ehe von den Eltern beschlossen wurde.

Im hohen Alter von etwa achtzig Jahren „plauderte“ die Großmutter einer Freundin quasi aus dem Nähkästchen. Sei meinte, wir wüssten wenig zu schätzen, wie gut es uns ginge und in welch glücklicher Lage wir seien. Wir lernten unsere Partner „unverbindlich kennen“, hätten Zeit uns kennenzulernen und zu entscheiden ob man „zueinander passt“. Durch diverse Verhütungsmethoden wäre unsere Zeit gerade revolutionär.

Sie vertraute uns an, dass sie keine Kinder wollte. Allerdings oblag die Entscheidung nicht ihr allein und selbst wenn sie es nicht wollte, wurde Druck von der Familie ausgeübt...Ihre fünf Kinder seien allesamt „Betriebsunfälle“ gewesen erzählte sie uns verlegen hüstelnd. Themen wie diese empfand sie immer noch als nicht salonfähig, dennoch war es ihr ein Anliegen, es mit uns auszudiskutieren...

Ihre Ausdrucksweise war durchaus nicht von gestern, wenn man hört, dass sie ihre Kinder als „Betriebsunfälle“ bezeichnete.

Jetzt im Alter sei sie durchaus froh Kinder zu haben, aber als typische Mutter habe sie selbst sich nie gesehen. Klar sie hatte die Kinder aufgezogen, die Krankenpflege übernommen, in Fiebernächten an den Betten gewacht und ihnen die wesentlichen Dinge des Lebens auf den Weg mitgegeben. Gern hätte sie ein anderes Leben geführt – wäre arbeiten gegangen und hätte eine Beruf gewählt, der sie Stolz gemacht hätte. Jetzt im Alter hatte sie immer noch das Gefühl, etwas versäumt zu haben, was sie mit gewisser Melancholie erfülle. Aber alles habe seine Zeit.

Ihr Rat:

Lebt Euer Leben, seht Euch in jungen Jahren die Welt an, schließt Freundschaften und entscheidet dann, welchen Weg ihr nehmt – den des Familienglücks oder den der Karriere!

 

 

Schlittenfahrt (Onlinegeschichte)

Es war Anfang Dezember und der Winter hielt mit Kälte, eisigen Winden und Glatteis Einzug. Der Wintermonat machte seinen Namen alle Ehre. Glücklicherweise wurde es in der Weihnachtswoche wieder milder, so dass erste Schneeflocken durch die Luft wirbelten. Binnen weniger Tage hatte sich eine feste Schneedecke gebildet, so dass die Kinder ihre Schlitten aus Kellern und Dachböden hervorkramten. Von morgens bis abends tobten sie draußen herum und kehrten erst Heim, als es zu Dämmern begann.

Endlich war auch der See zugefroren und das Eis so dick, dass es die Schlittschuhläufer trug. Jahre zuvor wagten sich einige übereifrige Jugendliche zu früh auf das Eis. Einer der Jungen brach weit draußen auf dem See ein, wurde aus dem eisigen Wasser gezogen, doch er war stark unterkühlt ins Krankenhaus gekommen. Der Preis für dieses Vergnügen war hoch, auf einem Ohr konnte er fast nichts mehr hören. Seither war der See im Winter abgesperrt und wurde erst nach einer strengen Prüfung freigegeben.

Fröhlich sah Fischer Franke dem bunten Treiben der Kinder zu. Sie rodelten jubelnd und kreischend vom Hang hinunter bis auf den See.

Er erinnerte sich an seine Jugendzeit und die Schlittenfahrten im Pferdeschlitten, die sie als Kinder unternahmen. Seinerzeit spannte sein Vater die Pferde vor den großen Schlitten, der genutzt wurde um von einem Ort in den nächsten zu kommen, weil es im meterhohen Schnee kein Durchkommen mehr gab. Am Heiligen Abend fuhren sie im Fackelschein und mehreren Schlitten hintereinander zur Dorfkirche im Nachbarort. Wenn er nur wüsste, wer außer seinem Freund noch einen Pferdeschlitten besaß.

Gleich am darauffolgenden Morgen machte er sich auf den Weg zum Ortsende, wo sein Freund ein großes Anwesen bewohnte. In der alten Remise, die zu Johannes Gebäuden gehörte, müsste eigentlich noch eine Pferdeschlitten stehen...!

„Wie schön, dich zu sehen“, begrüßte Johannes seinen alten Freund.

„Was führt dich zu so früher Stunde hierher?“

„Erinnerst du dich an unsere Schlittenfahrten mit dem großen Pferdeschlitten?“

„Wie könnte ich das vergessen – es gehört zu meinen schönsten Jugenderinnerungen. Es war Tradition in meiner Familie mit dem Schlitten zur Kirche zu fahren...“

„Du dürftest der Einzige sein, der noch so einen Schlitten besitzt...! Was hältst du davon, wenn wir ihn wieder fahrtüchtig machen?“

Mit einem schelmischen Grinsen sah Karl seinen Freund an.

„Das klingt nach einem größeren Arbeitseinsatz, aber mit ein wenig Unterstützung schaffen wir es sicher bis Weihnachten...“, schmunzelte Johannes. „Außerdem weiß ich dass der olle Hansen noch einen kleineren Pferdeschlitten als unseren besitzt. Mit etwas Überredungskunst wird auch er mit von der Partie sein...!“

„Abgemacht. Die Pferde bekommen wir vom Förster – Lene und Ferdinand sind als Rückepferde an das Geschirr gewöhnt und werden ohne Schwierigkeiten den Schlitten ziehen. Das habe ich bereits mit ihm besprochen.“

In den folgenden Tagen wurden emsig gearbeitet, die Schlitten entstaubt, Kufen angeschliffen und anschließend gewachst. Die Sitzbänke legten sie mit Postern, Fellen und Decken aus.

Am Heiligen Abend standen beide Pferdeschlitten vor dem ältesten Gasthaus des Ortes. Die Ältesten erhielten ihren Platz im Schlitten. In der Dämmerung trabten die beiden Pferde los und zogen einige Kinderschlitten die hintereinander festgebunden waren, hinter sich her. Im Fackelschein mit Glöckchengebimmel ging es in den nächsten Ort zur Dorfkirche, wo die Kirchgänger teils staunend, teils neidisch auf die Gefährte aus dem Nachbarort schauten.

Die alten Schlitten wurden seit jenem Weihnachtsfest, sehr zum Vergnügen der Kinder, in jedem Winter hervorgeholt und benutzt. Auf diese Weise wurde altes Brauchtum belebt und sinnvoller Umweltschutz praktiziert.

 

 

Brief an die verstorbene Freundin...

(Geschrieben wurde dieser berührende, wie traurige Textauszug von einer an Demenz erkrankten, weit über achtzig jährigen Dame aus dem Freundeskreis

meiner Familie. Ich bedanke mich an dieser Stelle nochmals für die Freigabe der Textpassage!) Er offenbart die Hilflosigkeit in der eine einsame Frau lebt, die noch Momentaufnahmen ihrer verwirrten, wie traurigen Weit begreift... Demenz und Alzheimer sind Erkrankungen, die für uns schwer nachzuvollziehen sind, dennoch dürfen wir Menschen, die an dieser Krankheit leiden nicht in die Einsamkeit entlassen! Dafür steht dieser Textauszug:

.... Ach, liebste Freundin, heute habe ich wieder an dich gedacht. Dieser Tag ist etwas klarer als all die anderen. Ich sehe meine Kinder und Enkel nur selten und oft kommt es mir so vor, als wollten sie etwas von mir, was ich ihnen nicht geben kann. Sie reden und reden, doch ich verstehe oft nicht, worüber sie erzählen. Jannick ist jetzt auf dem Gymnasium. Du weißt, mein Enkel - nein das weißt du nicht... da hattest du diese Welt schon verlassen! Ich bin so traurig, wenn ich an dich denke. Komm doch mal vorbei. Du fehlst mir. Du hättest hier sein sollen, mit mir alt werden. Wir hätten über unsere Enkelkinder gesprochen oder telefoniert. Jetzt hab ich nur Erinnerungen, Bruchstücke an die Zeit, wo wir Kinder waren. Selbst jetzt fällt mir schon nicht mehr alles ein. Ich habe Demenz, sie schreitet fort, sagen auch die Kinder. Manchmal glaube ich sie kommen deshalb so selten. Ich bin einsam. Kaum jemand von den Freunden kommt zu mir, seit ich im Heim bin.

Ach, wäre ich doch auch schon Tod. Die Tage sind eine Last. Egal, ob ich gute Phasen habe, oder schlechte. Die Medikamente machen müde, ich habe kaum Kraft, gehe nicht mehr raus, habe nichts zu tun. Warum durfte ich nicht vor dir gehen? Stattdessen sitze ich hier und warte auf den Tod, doch selbst der kommt nicht und scheint mich nicht haben zu wollen... Körperlich bin ich ja fit, doch der Kopf ist kaputt - die Kinder sagen es nicht, aber ich weiß ja, dass ich jetzt dumm bin, weil ich so viel vergesse. Hol mich ab, ich warte auf dich...!

Deine Heidemarie

 

Altes Unrecht

Die kleinen, versteckt angelegten magisch aussehenden Zeichen in und um die Burgruine, wie auf dem Boden faszinierten Jasper bereits als Kind. Niemand von den sogenannten „Gelehrten“ aus dem Ort, oder der Gemeinde vermochte etwas darüber zu sagen. Immer blieb die Antwort aus, oder endete mit einem bedauernden Kopfschütteln.

Als junger Mann verließ Jasper seine Heimat. Heuerte auf einem Schiff an. Seine Laufbahn als Seemann begann. Viele Jahre befuhr er die Meere, bereiste Orte abseits der Touristenrouten, besuchte aufsehenerregende, wie weniger beachtete archäologische Ausgrabungsstätten und sammelte Hinweise, oder durchsuchte alte Schriften in Museen. Sein Ehrgeiz trieb ihn an, ruhelos bereiste er die Welt.

Mittlerweile war er Schiffskapitän. Sein finanzielles Polster konnte sich sehen lassen, wobei eine unerwartete Erbschaft es ihm erlaubte, sich vorzeitig zur Ruhe zu setzen und in seine Heimat nach England zurückzukehren.

„Na mein Junge, was meinst du, sollen wir die alte Ruine und den Park kaufen? Wir könnten es umbauen und uns dort zur Ruhe setzen,“ erzählte er seinen Golden Retriever, während sie sich dem Areal näherten.

Jasper hatte nie geheiratet, seine Partnerschaften waren nach kurzer Zeit in die Brüche gegangen, da es ihn Zeitlebens wie ein Nomade weiter zog. Etwas Wehmut gepaart mit Nostalgie bemächtigten sich seiner Gefühle. Wenn er die Ruine herrichten ließe, könnte er in einem Teil ein Museum einrichten. Auf diese Weise würde er etwas Geld einnehmen, um Kosten zu decken und gleichzeitig seine gesammelten Schätze aus der Welt ausstellen können.

Ein halbes Jahr später begannen Auf- und Umbauarbeiten. Sämtliche Besitzrechte waren auf Jasper übertragen und er stolzer Eigentümer einer kleinen Burganlage im Herzen von York.

Täglich beobachtete er den Fortschritt der Bauarbeiten, als sein Bauleiter auf ihn zulief:

„Wir haben etwas gefunden, oben im Turmzimmer unter den alten Dielen...“, berichtete er ihm atemlos. „Das müsst Ihr Euch ansehen...“

Erstaunt schaute Jasper den Mann an. „Ich komme“, sagte er knapp und folgte ihm auf den Turm.

Eine massive Kiste mit Eisenbeschlägen stand auf dem provisorisch gezimmerten Holztisch. Sie hatte die Größe eines Stiefelkartons und war mit einem starken Eisenschloss verschlossen.

„Wir wollten wissen, ob wir das Schloss aufbrechen sollen – vielleicht enthält sie Baupläne, die uns weiterhelfen...“, erklärte der Bauleiter und wartete auf Anweisungen.

„Versucht das Schloss mit den Schlüsseln zu öffnen, die wir hier in der Umgebung gefunden haben. Möglicherweise passt ja einer. Es wäre schade, wenn wir das kunstvolle Schloss zerstören oder die Kiste Schaden nähme!“

Keiner der gefunden Schlüssel passte. Einer der Bauarbeiter verstand sich auf die „Kunstfertigkeit“ Schlösser ohne Schlüssel zu öffnen...

„Versuchen Sie es“, Jasper gab nur zu gern seine Zustimmung, schließlich brannte auch er darauf, den Inhalt der Kiste zu untersuchen.

Endlich gab das Schloss nach.

Alte Karten, Briefe und vergilbte Fotos lagen darin.

„Da sind Baupläne“, staunte der Bauleiter. „Das Gemäuer wurde einige Male umgebaut, es gab sogar einen versteckten Raum...“, staunte er.

„Steht dort irgendwo der Name eines Vorbesitzers? Als ich das Land erwarb, gab es keine Hinweise, wem das Land vor mehr als einem Jahrhundert gehörte“, erklärte Jasper. „Nur weil es keine eingetragenen Erben zu geben schien, war es mir möglich, das Land zu erwerben.“

„Hier steht ein Name! Jacob von York. Ich kenne die Geschichte. Er lebte vor etwa zweihundert Jahren hier. Dieses Land gelangte durch eine Gaunerei in seine Hände. Man vermutet er gewann es durch Betrug beim Würfel- oder Kartenspiel. Der eigentliche Besitzer verließ daraufhin die Gegend, als er erfuhr, dass Jacob von York ein Falschspieler war und er nichts dagegen unternehmen konnte...“

„Wir sollten uns die Briefe ansehen, vielleicht erfahren wir dort mehr.“ Jasper hatte vor Aufregung hektische rote Flecken aus den Wangen.

„Hier ist ein Stammbaum...“, rief der Bauleiter begeistert und reichte ihm Jasper.

„Das glaube ich nicht...!“, stammelte Jasper plötzlich und wurde kreidebleich.

Verwundert sahen die Männer ihn an.

„Das kann nicht sein - Jacob von York ist mein Urahn....?!“

Sprachlos reichte er das Dokument weiter.

„Das ist unglaublich...!“, stammelte Bauarbeiter. „...die Prophezeiung bewahrheitet sich vielleicht doch...“, murmelte er noch leiser und schüttelte den Kopf.

„Was für eine Prophezeiung?“, argwöhnte Jasper hellhörig.

„Der Legende nach kehrt entweder der Geist des ursprünglichen Besitzers zurück, sobald ein Nachfahre derer von York einen Fuß auf das Gelände setzt oder der alte Haudegen Jacob von York selbst. Heimlich brachte er in und um die Ruine Schutzzeichen an. Angeblich sind es Abwehrzauber...! Aber vermutlich ist alles nur dummes Gerede!“

„Nein, es gibt diese Zeichen – ich selbst habe sie gesehen,“ sagte Jasper tonlos.

„Ich habe große Pläne und hoffte, hier meine Ruhe zu finden, mich auf meinen Altenteil zurückzuziehen. Stattdessen beschwöre ich jetzt mit meiner Anwesenheit einen Geist...“. Bitterkeit lag in seiner Stimme. „Ich habe mich in diesen Besitz verliebt.“

„Wenn es diese Zeichen gibt, wo habt Ihr sie gesehen? Wir haben bislang nur zwei Markierungen in der alten Küche entdeckt.“

„Sie sind überall auf dem Gelände. An uralten Bäumen, manche im Gebälk der Stallungen oder in Stein geritzt. Mal sehen sie wie Runen oder Keilschriften, dann wie Zeichnungen rund um die Pyramiden aus...“

Er schwieg einen Moment und hing seinen Gedanken nach.

„Gibt es Nachfahren des ursprünglichen Besitzers?“, fragte Jasper plötzlich.

„Da müsste man nachforschen. Ich kenne hier keine“, erklärte der Bauleiter.

„Bitte versuchen Sie Herauszufinden wer der Erbe ist oder ob es einen gibt. Ich habe da eine Idee...!“

In diesem Moment wehte der Wind ein Blatt durch das geöffnete Fenster. Als Jasper genauer hinsah entdeckte er das wiederkehrende Zeichen einer Rune. Er wusste was das bedeutete.

Die Rune stand für Vergeltung.

In der darauffolgenden Nacht stürzte eine frisch aufgemauerte Mauer zusammen, ein Maurer fiel Tags drauf vom Gerüst und brach sich das Bein. Andere Bauarbeiter hörten Geräusche, glaubten Geister zu sehen oder hatten andere Spukerlebnisse, die sie beunruhigten, Die kleinen Mischgeschicke bis zu den Unglücksfällen rissen nicht ab. Im Gegenteil sie nahmen immer mehr zu.

Jasper machte sich viele Gedanken. In der Zwischenzeit hatte sein Bauleiter immer noch nichts herausgefunden. Erst nach einigen Wochen konnte er eine Verwandte des ehemaligen Burgherren ausfindig machen und brachte sie gleich zum Bauplatz mit.

Katharina war eine einundzwanzigjährige Studentin, die als elternloses Kind in verschiedenen Waisenhäusern aufgewachsen war und absolut nichts von ihrer Familie oder deren Vorfahren wusste. Nachdem Jasper ihr die Geschichte, den Stammbaum, wie die Prophezeiung offenbarte und sämtliche Vorfälle beschrieb, sah sie ihn verständnislos an. Er schlug er ihr vor, auf das Gut zu ziehen, da ein Teil davon ursprünglich ihr Erbe sei. Die andere Hälfte wollte er bewohnen. Um ihr seine Bereitschaft wie den Willen zu ihrer Unterstützung zu beweisen, ließ er einen Vertrag aufsetzen, indem die Besitzverhältnisse nach seinem Tod komplett an sie übergingen.

Der Bann schien gebrochen. Die Bauarbeiten konnten reibungslos ohne weitere Verzögerungen ausgeführt werden.

Im Dezember, in der Nacht der Wintersonnenwende erschien weit nach Mitternacht der Geist des Jacob von York in Jaspers Schlafraum.

Schlaftrunken erwachte Jasper starrte ihn an und räusperte sich dann.

„Ich dachte mir schon, dass du irgendwann doch noch hier aufkreuzen würdest“, sagte er.

„Allerdings hoffe ich, du bist nicht gekommen, um mir Vorwürfe zu machen – denn ich habe mich bemüht, das alte Unrecht, was du einst begonnen hast, zu tilgen.“

„Ja, ja, ich gebe zu, ich war ein Spieler und Betrüger! Doch Ruhe wirst du nicht vor mir haben, da ich verbannt wurde, ewig hier herumzuspuken...!“

„Mmm, das klingt nach unruhigen Nächten für mich. Ich hab da einen Einfall, vielleicht gefällt er dir ja: Was hältst du davon, wenn wir die Zeit bis zum Morgengrauen bei einer guten Flasche Whiskey und einem Gespräch verbringen? Auf diese Weise könnten wir uns besser kennenlernen“, grinste Jasper während er zum Schrank ging und zwei Gläser auf den Tisch stellte...

„Einverstanden“, grinste Jacob von York, „aber nur, wenn du mir den Tabak für meine Pfeife spendierst...!“

 

Wie eine Schatzkiste

 

Wer von Euch kennt sie noch – die Knopfkiste oder Knopfdose, gefüllt mit einem Sammelsorium aus Knöpfen?

Geboren wurde die Idee in einer Zeit großer Not und, als es an den Herrenhosen noch keine Reißverschlüsse gab. In fast keinem Haushalt fehlte der Knopfkasten und selbiger zog sich über Jahrzehnte durch das Familienleben. Stellenweise wurde er von der Urgroßmutter, die nicht mehr richtig sehen konnte, weitergereicht oder unter den Kindern aufgeteilt…

Gesammelt wurde jede Größe, Form und Farbe – es war egal, ob abgenurtzt, solange noch brauchbar. Im und um den zweiten Weltkrieg gab es auch Wäscheknöpfe – überzogen mit Leinenstoff, damit sie die heißen Temperaturen der Kochwäsche überstanden. Knöpfe dienten als Verschluss, als Verziehrung wie Tauschmittel. Manch ausgefallenes Exemplar wurde in der Kriegs- und Nachkriegszeit hergegeben, um gegen etwas anderes, möglicherweise loebensnotwendiges getauscht zu werden. Schöne Dinge waren immer gefragt…

Meine Omas besaßen beide Knopfkisten, doch sie waren völlig unterschiedlich:

Während eine Großmutter Knöpfe, Haken und Ösen sammelte und in die Metalldose warf, hatte die andere ein System, quasi eine Übersicht in ihrer fein sortierten Kiste. Größe Knöpfe lagen lose, gut sichtbar darin, während die kleinen, weißen und dunkelblauen für Blusen oder Strickjacken auf einen Faden gefädelt beisammen waren. Dazwischen fanden sich kleine verschließbare Hülsen (meist vom Film eines Fotoapparates), in dem sie gleich große, beispielsweise pastellfarbene Exemplare einsortiert hatte, von denen sie nur zwei bis vier besaß. Hosenknpfe bewahrte sie in einer Papiertüte auf – von schwarz über braun bis hin zu dunkelblauen hatte sie alle denkbaren Farben.

Immer wieder tauchte ein besonderes Exemplar auf: Perlmuttknöpfe oder Perlen – möglicherweise stammten sie von einer Kette? Herzchen, bunt schillernde Exemplare oder stoffüberzogene Zierknöpfe, wie man sie in den 50-und 60-er Jahren an Kleidern trug und aus dem Kleiderstoff die passenden Knöpfe „beziehen“ ließ, wie es seinerzeit hieß….Das waren besondere Knöpfe die hochwertig aussahen und deren Herstellung etwas kostspieliger war. Übrigens konnte man selbige auch mit Leder oder Kunstleder beziehen lassen.

 

Als Kind durchsuchte, spielte oder sortierte ich stundenlang Omas und Mutters Knopfkisten oder Zigarrenkisten mit „Brettchenbändern“, Borten und Spitzen, die ebenfalls gesammelt wurden, Gerne sah ich mir jedes Stück an, fragte, woher es stammte oder stellte mir ein Kleidungsstück vor, an das es passte. Selbst für meine Puppenkleider suchte ich mir stolz manch ein Einzelexemplar als Verschluss oder ein Reststück „Brettchenborte“ aus.

Heute ist der Knopfkasten aus der Mode gekommen. Jedoch besitze auch ich einen, teilweise mit ausgefallenen Stücken aus dem Fundus von Oma und Mutter die übrigens beide sehr gut nähen konnten und nahezu immer irgendwelche „Schätze“ zum Versschönern von Kleidungsstücken benötigten.

 

Anmerkung: Brettchenborten/bänder wurden in Handarbeit hergestellt und gehören heutzutage eher zu „einem vergessenen Handwerk“, welches schon die Wikinger beherrschten und ohne Webrahmen hergestellt wird.

 

 

Das Seelentier (Kurzgeschichte für ein Esotherik/Kräuterseminar)

Man sagt, jeder Mensch habe ein Seelentier was uns ähnlich ist, Stärken und Schwächen aufzeigt.. Das bekannteste Tier ist wohl der Wolf, er steht für Gerechtigkeit und Loyalität. Er schärft unseren Instinkt und unser Einfühlungsvermögen.

Ein weiteres bekanntes Tier ist der Adler – Majestätisch, alles überblickend mit dem Geist der Freiheit. Er steht für die Weit-, oder Voraussicht.

Zu den Seelentieren gehören aber auch nicht so bekannte Tiere wie Pandas, Papageien, Schmetterlinge und Skorpione oder Zebras…

Bisher hatte ich keine Vorstellung, welches Tier mit seinen Eigenschaften zu mir passen könnte.

Ehrlich gesagt, ich hatte mir auch kaum Gedanken darum gemacht. Erst als eine Freundin mich auf das Thema brachte, beschäftigte ich mich mit dieser Thematik. Bald schon war das Gespräch wieder vergessen, da der Alltag mit all seinen Facetten im Vordergrund stand. Bis zu jenem Tag, an dem ich meinem Seelentier begegnete:

Es war am späten Nachmittag im Sommer auf einer Landstraße. Das Tempolimit von 70 km/h war aufgehoben und es ging zügig voran. Rechts und links sah man offene Felder, in der Ferne Gehöfte, Stallungen, Unterstände sowie ein Waldgebiet.

Aus dem Nichts tauchte ein Schatten tief über meinem Autodach auf, tauchte vor dem Pkw und zwang mich, abrupt abzubremsen. Entgeistert schaute ich durch die Frontscheibe, ob ich den Schatten ausmachen könne. Etwa hundert Meter später setzte sich ein großer Vogel mitten auf die Fahrbahn, so dass ich gezwungen war weiter abzubremsen, um das Tier nicht zu überfahren.

Es war ein ausgewachsener Bussard. Ein wunderbares Tier mit hell gesperberten Brustgefieder, dunklerem Untergrund und wachsamen Blick. Er musterte mich ebenso erstaunt, wie ich ihn. Für einen Moment verharrten wir beinahe in stummer Bewunderung, ehe er sich langsam wieder in die Lüfte erhob und mit einem kleinen Schlenker über die Fahrbahn auf das Waldgebiet zuflog. In meiner anhaltenden Verwunderung über diese merkwürdig anmutende Episode, sah ich dem Bussard nach.

Im Nachhinein erwies sich diese Begegnung als lebensrettend für mich. Ein Autofahrer überholte auf der Gegenfahrbahn in der nächsten uneinsehbaren Kurve. Hätte der Bussard mich nicht aufgehalten, oder sollte ich „gewarnt“, sagen, wäre ich vermutlich in der Kurve mit dem überholenden Fahrzeug zusammengestoßen.

Ich weiß nicht, „welcher Wächter aus dem Reich der verborgenen Welt“, mir den Bussard sandte, doch mit Sicherheit kenne ich seit jenem denkwürdigen Erlebnis mein Seelentier.

 

Manchmal findet man alte Dinge, sowie diese Geschichte aus einer Schreibaufgabe wieder:

Thema: Wenn heute der letzte Tag meines Lebens wäre...

... würde ich allen Menschen, denen ich, und die mir von Herzen zugetan wären, einen kurzen, persönlichen Brief schreiben, um ihnen zu danken...

- für ihre Freundschaft

- die glücklichen Momente, die wir geteilt haben

- und ihre Herzenswärme.

Es wäre ein stiller, aber beglückender Abschied für mich und hoffentlich eine tröstliche HInterlassenschaft für die Menschen, die mich vermissen werden.

 


https://images.bod.com/images/kindheitserinnerungen-9783961741076.jpg/500/500/Kindheitserinnerungen.jpg

Am 08.07.2022 erschien im Paashaas-Verlag eine Anthologie mit Kindheitserinnerungen, auf die ich Euch schon jetzt aufmerksam machen möchte.

Kindheitserinnerungen hat wohl jeder: Streiche, neue Freundschaften, Eifersucht, Streit, Ängste, Verlust oder aber eine wunderschöne unbeschwerte Zeit bleiben im Gedächtnis. Diese wahren Begebenheiten erzählen, wie es so war, als die Autoren noch klein waren. Mein Beitrag ist ebenfalls dabei, er trägt den Titel

"Abenteuerferien bei Oma"

 

Diese kurze Story gehört in den Bereich Mutmachgeschichten

 

Falsche Scham!

Wenn die Menschen älter werden und bemerken, dass ihnen viele Dinge aus dem Alltag schwerer fallen, scheuen sie sich aus falscher Scham Hilfe anzunehmen oder Hilfsmittel zu nutzen. Niemand soll sehen, wie schwer ihnen gewisse Abläufe fallen, oder wie eingeschränkt sie mittlerweile sind. Vielleicht verschließen sie ja auch die Augen vor der Wahrheit nicht mehr jung, voller Energie und Beweglichkeit zu sein. Da passt es nicht ins Bild plötzlich einen Einkaufswagen nutzen zu müssen, weil die Kräfte nachlassen. Der „Hackenflitzer“ ist etwas für die anderen Leute, lieber schleppen sie weiterhin die schweren Körbe oder Taschen vom Einkauf nach Hause.

Ebenso verhält es sich mit medizinischen Hilfsmitteln. Um Himmels Willen, keine Stock oder gar eine Gehhilfe verwenden, wie den Rollator.... Die Angst vor dem Neuen, dem Handling mit diesem „Gerät“ im Alltag ist für sie genauso schlimm, wie einfach so weiterzumachen.

Alt werden ist nichts für Feiglinge sagte meine Oma immer. Auch sie hatte Schmerzen und gesundheitliche Probleme, doch wenn sie Hilfe benötigte, ließ sie es, wenn auch manches Mal mit Zähneknirschen zu. Ich weiß, es kostete sie Überwindung um Hilfe zu bitten und abzuwarten, bis die Kinder oder Enkelkinder Zeit hatten, mit ihr in die Stadt zu fahren. Dennoch genoss sie diese Ausflüge sehr. Auf den Fahrten in die Stadt führten wir oft ungewöhnliche Gespräche aus dem Augenblick oder vor einem Haushaltswarengeschäft aus der Situation heraus. Es kamen Dinge zur Sprache, die wir unter gewöhnlichen Umständen in der häuslichen Umgebung so vermutlich nie geführt hätten.

Wir besuchten Eiscafes, gingen mit dem Rollator auf den Friedhof um Gräber ihrer verstorbenen Nachbarn und Freunde aufzusuchen oder entzündeten in der Kirche eine Kerze. Ihre Lebensqualität veränderte sich durch die Ausflüge und sie begann diese Tage zu genießen. Mittlerweile war es egal, dass sie Hilfe benötigte. Mehr und mehr ließ sie zu, dass man ihr Wege abnahm ohne dass sie den Eindruck hatte, man wolle sie „bevormunden“ oder gar „das Zepter“ aus der Hand nehmen... Sie spürte, dass die tiefe Fürsorge und Liebe, mit der sie uns umhegte jetzt auf eine andere Art zurückkam und sie akzeptierte es mit allen Facetten.

 

 

Vor einigen Jahren gab es eine Schreibaufgabe, die mich sehr faszinierte. Den alten Entwurf fand ich zwischen diversen Kurzgeschichten.

Es ging dabei um einen "Nachruf", mehr verrate ich Euch an dieser Stelle aber nicht...

Nachruf: (Übung für ein Schreibseminar)

Er war Freund, Spielkamerad, Wegbegleiter und Seelentröster.

Manchmal auch "Dieb" wie "Ärgernis".

Möglicherweise lag diese Haltung aber auch in seiner adeligen

Herkunft begründet!

 

Trotz allem liebten wir ihn und seine darstellende Kunst.

Seinen Blick, bei Fehlern, mit den Augen um Entschuldigung zu bitten,

sowie seine Sanftheit, mit der er unser Herz erwärmte.

 

Wir werden ihn vermissen,

unseren guten, alten, wie treuen

Bernhardiner

Egbert H. von Gartenpforte

 

Kommunikation

Wir leben im Zeitalter der schnellen Datenverarbeitung und Kommunikation. Hierfür stehen uns viele Medien zur Verfügung. Wir Simsen, Appen und schreiben - die als mittlerweile veraltetet geltenden E-Mails...Rascher Medienkonsum, schnelle Verarbeitung wie Rücksendung von Informationen stehen im Fokus.

Andersherum beschäftigen wir uns bei all der Reizüberflutung mit Meditation und Achtsamkeitsübungen. Zeit haben die wenigsten von uns. Das Berufsleben ist straff durchgetaktet, der Alltag nebst Freizeit ausgefüllt mit abzuarbeitenden To-do-Listen, wie Freizeitaktivitäten, um uns die ersehnte Entspannung zu bringen.

Ein gutes Gespräch mit Freunden kann durchaus erholsam sein. Ebenso ein entspanntes Telefonat ohne Zeitdruck und Hetze. Wie wäre es, mal wieder einen Brief zu schreiben. Ja, den guten alten Brief mit einer Briefmarke drauf... :-)

Gern erinnere ich mich an die Zeit, als ich Briefe von den Freunden erhielt, die auswärts studierten. Auch die Postkarten aus den Urlaubsorten im Briefkasten mit einem lieben Gruß zauberten ein Lächeln ins Gesicht. Es mag nostalgisch klingen, doch ein persönlicher, handgeschriebener Gruß, den ich zudem jederzeit wieder zur Hand nehmen kann gefällt mir immer noch am Besten, als eine flüchtige Nachricht im Chat-Verlauf...

In diesem Sinne wünsche ich Euch allen ein frohes Pfingstfest mit netten Menschen, tollen Gesprächen und vor allem Zeit für die Menschen und Dinge, die Ihr liebt!

 

Osterbesuch (Aus dem Leben)

Ostern ist seit je her Reisezeit. Egal ob Urlaub oder Verwandtenbesuch. Die Familie meiner Freundin wohnte weit verstreut und an Ostern traf sich ihre Familie immer bei den Großeltern. So kam es, dass auch wir den einen oder anderen Freund um die Ossterzeit zum Brunch oder am Karfreitag trafen und statt zu grillen den Räucherofen anwarfen. Unsere Treffen waren immer lustig und geprägt von außergewöhnlichen Ereignissen. So zum Beispiel während unserer Umbauphase, als die Kinder im Garten einen Erdhügel zur Rutschbahn umfunktionierten und mit einer alten Plastikbadewanne wie auf eine Bobbahn herunterrunterrodelten... Nach fast zwei Jahren Coronabeschränkungen hatten wir wieder Kaninchen im Garten entdeckt. Dazwischen hatten sich in der Nacht sogar Waschbären bis in den Vorort getraut. Sie buddellten auf der Suche nach etwas fressbaren unseren halben Garten um. Selbst vor der großen Meisenkugel machten sie nicht Halt und rissen sie herunter, nachdem sie den Kompst bereits umgepflügt hatten. Das Hühnergehege wies ebenfalls von außen diverse Löcher auf, die wir mit schöner Regelmäßigkeit zuschütteten.

Nach einiger Zeit verschwanden die nächtlichen Besucher wieder von selbst und es gab auch keine weiteren Löcher mehr. Auch die Hühner randalierten nicht mehr so oft in den frühen Morgenstunden, weil sie aufgeschreckt vom Lärm anschlugen. Am Samstag vor Ostern, als wir draußen beim Bruchn sassen, erlebten wir eine tierische Überraschung:

Unsere Hühner hatten von innen aus dem Gehege heraus mal wieder versucht, einen Ausbruchsversuch zu unternehmen. Das nutzen die Spatzen für sich - sie drangen von außen ins Gehege hein und pickten all die Körner auf, die unser Federfieh mal wieder verschmähte. Ungehindert flogen die flinken Diebe unter dem Gehege ein und aus. Draußen vor dem Gehege standen zwei ratlos dreinblickende Jungtauben, die offensichtlich Hunger litten und schauten sich das bunte Treiben an. Dazwischen stolzierten und flatterten unsere Hühner hin und her - stetig bemüht einen der Spatzen zu fangen... weil sich der Futterneid bei ihnen regte. Als sich zuguterletzt eine Elster oben auf dem Gehege niederließ gingen selbst unsere Hühner in Deckung. Für einen Moment sah es so tatsächlich so aus, als wäre ein Teil der Vogelweilt hier zusammen gekommen, um sich gegenseitig zu besuchen...



Es gibt für jedes Problem eine Lösung!

Seit Tante Agnes zwei Schlaganfälle erlitten hatte, schien es unmöglich für sie weiterhin in ihrem gleibten kleinen Cottage mit eigenem Garten wohnen zu bleiben. Vor Jahren waren sie und ihr Mann in ihr Sommerhaus nach England gezogen, um den Rest ihres Lebens dort zu verbringen, wo sie immer am glücklichsten waren.

Mittlerweile war sie Alltag auf Hilfe angewiesen, die der Pflegedienst zwar leistete, doch für jede Erledigung musste sie jemanden einbestellen. Als kinderlose, Witwe mit vielen Nichten und Neffen im Ausland, tat sie sich schwer mit Fremden. Sie wusste, es war an der Zeit Veränderungen vorzunehmen. Der letzte Umzug ihres Lebens rückte näher. Schon jetzt wusste sie, am meisten würde ihr der Garten fehlen. Selbst ihr Schlafzimmer in der oberen Etage war mit Blick auf den Garten ausgerichtet. Sie sah ihre Blumen wachsen, behielt die Gemüsebeete im Blick, welche sie eigenhändig angelegt hatte, jedes Jahr umgrub und bepflanzte. Zuerst hatte sie abgewogen, einen Gärtner einzustellen. Allerdings waren die Kosten letztendlich zu hoch, auch wenn es ihr finanziell nicht schlecht ging. Denneoch, sie wusste, der Weg würde sie ins Altersheim oder eine Seniorenresidenz führen. wobei jede Fahrt zum Arzt, jeder Einsatz - egal welcher Art, extra verrechnet wurde.

Nachdem sie sich schweren Herzens eine Seniorenresidenz ausgesucht hatte, wog sie die Details eines Hausverkaufs ab.  Ihre Lieblingsnichte Birgit reiste an, um ihr beim Packen, Aussortieren und Verkauf behilflich zu sein, als sie darum bat.

"Es ist ein so wundervolles Haus, Tante Agnes, warum vermietest du es nicht oder gibst es zur Pacht?"

"Darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht - ich kann nicht alle Möbel mitnehmen, die Kosten für die Heimunterbringung werden meine Reserven bald aufzehren und durch den Hausverkauf hätte ich ein paar Rücklagen mehr...". Ihre Stimme klang traurig, der Kummer war ihr deutlich anzumerken.

"ich hätte eine Idee, die es dir ermöglicht, weiterhin im Haus zu bleiben und möglicherweise eine 24-Std. Kraft einzustellen, die dich betreut und jederzeit für dich da ist."

"Erklär mir das genauer!", bat Tante Agnes. In ihren Augen glomm der Hoffnungsfunke, darauf wartetend, ein loderndes Feuer zu entzünden. Es gibt eine Agentur, die junge Familien mit Kindern vermittelt. Viele davon sind medizinisch oder pflegerisch ausgebildet. Gegen einen geringen Pacht- oder Mietzins lässt du sie hier wohnen und im Gegenzug erhälst du deine Hilfen oder Pflege, sofern das notwendig ist. Die einzelnen Eckpunkte werden im Vertrag exakt formuliert. Was sagst du dazu? Ich denke es wäre einen Versuch wert!"

Tante Agnes Augen leuchteten und wenige Tage später stellten sich bereits erste Interessenten bei ihr und ihrer Nichte vor.

Letztendlich fanden sie eine wunderbare Familie mit zwei Kindern. Einen kleinen Teil des Hauses bewohnt Agnes, während die Familie zwei Drittel für sich zur Verfügung hat. Der Garten ist so schön wie eh und je, wenn auch anders. Eine Schaukel und ein Sandkasten für die Kinder wurden angelegt, die Hortensien und Rhododendren wachsen dort weiter, wo Agnes sie einst anpflanzte. Es gibt weiterhin Gemüse aus dem eigenen Garten, welches im neu gebauten Gewächshaus von ihr vorgezogen wird. Das Haus wurde rollstuhlgerecht umgebaut, Agnes erhielt einen Treppenlift und ist mit ihrer Pflegefamilie glücklicher, als sie es sich je erhofft hat.

Mittlerweile ist sie 91 Jahre alt - wer weiß, ob sie dieses Alter im Heim erreicht hätte, fernab von ihrem geliebten Heim und Garten...! Es gibt für jedes Problem eine Lösung, man muss nur danach suchen. 


 

Auf der Suche nach dem großen Glück (Aus dem Leben)

Wir alle sind Wanderer, Suchende und Hoffende.

Manch einer hofft auf den Lottogewinn, wieder andere auf eine Erbschaft, ein Dritter wartet auf die Rückmeldung seiner Bewerbung im gewünschten Ausbildungsberuf. ..! Wir alle haben Träume, Wünsche, Hoffnungen wie Ziele die verschiedene Lebensbereiche berühren.

Doch vergessen wir darüber nicht die kleinen Dinge des Lebens? All jene Dinge, die es lebenswert, angenehm und schön machen? Liebenswürdigkeiten, Freundlichkeiten, Hilfsbereitschaft und so viel mehr?

Es sind die kleinen Dinge im Leben, die sich zu „einem großen Glück zusammenfügen“ können:

  • Das erste Lächeln des eigenen Kindes/Enkelkindes

  • Ein freundlicher Zeitgenosse, der mir eine Türe aufhält, wenn ich schwer zu Tragen habe

  • Frühlings- oder Sommerblüten auf der Wiese

  • Freundschaften, die sich über Jahrzehnte bewährt haben

  • Ein gutes Gespräch mit den Kollegen beim Essen-

  • Ein lang erwarteter Brief/oder eine E-Mail

  • Dankbarkeit

Diese Liste lässt sich endlos fortsetzen…

 

Es ist das irdische Glück, welches uns glücklich macht. Nicht die Suche nach dem einen, großen Glücksmoment.

Glück setzt sich aus vielen kleinen, einzelnen Momenten, Erlebnissen und Begebenheiten zusammen, die unser Herz tief berühren und die Seele streicheln.Glück lässt sich manches Mal schwer allein mit Worten beschreiben Man fühlt es. Wer es erfährt, strahlt es oftmals aus.

Glück ist ein Geschenk. Wir müssen nur lernen  es im Alltäglichen zu sehen.

 

 

Typisch Westfälisch (Schreibaufgabe - etwas typisches oder charakteristisches über Menschen/Umstände zu beschreiben)

Um die Westfalen, wie deren Mentalität ranken sich sich viele Mythen. Sind sie ein buntes Völkchen, sprechen eine eigene Sprache, was nicht nur heißen soll, „so wie ihnen der Schnabel gewachsen ist“. Man unterscheidet Dialektgruppen wie Mundartgruppen.

So heißt das Brot nicht überall Brot, nein, es kann regional auch „Broud“, oder „Brod“ genannt werden. In den vielfältigen Regionen Westfalens wird sogar noch „Platt gekürt“, also Plattdeutsch gesprochen.

Der Westfale“ ist vom Typ her „bärbeißig", eigenwillig wie eigenbrötlerisch, geschickt, arbeitssam, neigt jedoch zur Melancholie oder zwanghaften Lustigkeit...! Das sind nur ein paar charakterisierende Stichworte.

Die klischeehafte Beschreibung: „mit einem Westfalen muss man zuerst einen Sack Salz essen, ehe er zum Freund wird“, ist also nicht aus der Luft gegriffen....sondern fast schon ein geflügeltes Wort.

Als Typisch Westfälisch bezeichnet man einen ureigenen Menschentyp vom Wesen des "Sturkopp"!

Doch sind die Westfalen wirklich so unnahbar? Gehen wir der Sache doch mal auf den Grund!

Sie lieben, je nach Region, die Mettwurst aus dem Rauchfang – luftgetrocknet versteht sich. Sie feiern Schlachtfeste im Spätherbst und laden ein, dazu kommen selbstgemachtes Sauerkraut oder die deftige Graupensuppe mit gekochtem Rind- wie Rauchfleisch auf den Tisch.

Man mag es durchaus gesellig mit seinesgleichen, was wir an den vielen regionalen Spezialitäten wie Münsterländer Töttchen oder Pumpernickel plus luftgetrocknetem Schinken inklusive Korn sehen. "Grünkohl oder Pfefferpotthast" sind typisch deftige Bauerngerichte, die auch heute noch in Landgasthöfen serviert werden.

Im Grunde ist der „typische Westfale“ wohl ein eher zurückhaltender Menschentyp, der der Geselligkeit durchaus nicht abgeneigt ist und gutes Essen liebt. Er pflegt Traditionen wie Bräuche, was sich auch im Wesen der Schützenfeste oder im Jahreslauf der Kirchenfeste mit Frohnleichnamsumzügen oder zum Erntedankfest in den Kirchen spiegelt.

Von der landläufigen Vorstellung her, ist „der Westfale“ eher der bäuerliche Typ. Manch einer auch mit Land oder Waldbesitz. Hofläden oder Landcafes gehören, je nach Region sekundär dazu...

Mittlerweile hat sich ein Wandel vollzogen, Westfalen steht jetzt sogar für Whiskey, Designermöbel und hochwertige Küche.

Das Bild vom „urtümlichen Westfalen“ hat sich gewandelt, denn selbiger hat den Zeitgeist der Moderne längst erfasst...


 

Schutzgeister und Dachreiter

(Die Geschichte entstand im indirekten Kontext zu einer Ausstellung im Freilichtmuseum Detmold zum Thema Aberglauben)

Im Altertum und Mittelalter war es üblich, sein Hab und Gut vor bösen Geistern oder Urgewalten zu schützen. Bei meiner Recherche über Riten und Bräuche des Mittelalters stieß ich auf die „Dachreiter“ als Schutzzeichen oder Schutzgeister.

Das waren kunstvoll gefertigte Stein- oder Metallfiguren, mit großer Symbolkraft, die Hinweise auf den Beruf oder den gesellschaftlichen Stand des Besitzers geben konnten. Sie waren nicht nur Schmuck, sondern hatten religiöse wie abergläubische Hintergründe.

Ein Reiter mit Pferd galt im Mittelalter als Statussymbol der Kreuzritter. Verschiedenen Figuren sprach man besondere Eigenschaften zu. Es gab Ungeheuer, Fratzen und Tiere, die Schutz vor Feuer und Blitzen boten, wie andere Gefahren bannen sollten. Manche konnten sogar den Wohlstand fördern.

Dabei waren verschiedene Tiere fest im Volksglauben durch Kraft oder Fähigkeit verankert, so auch Hahn, Eule, Rabe oder Katze. Eule und Katze können in der Dunkelheit sehen, daher schützten sie die Bewohner in der Dunkelheit.

Dachreiter fanden sich meist am Westgiebel von Kirchendächern. Später an Rathäusern. Es waren filigrane Motive aus Stein, die von hoher Handwerkskunst zeugten.

Aber auch Zunftzeichen konnten gewissermaßen das Unheil abwenden, sofern christliche Symbole wie das Kreuz eingebunden wurden.

Aus Tonziegeln, bunter Keramik oder als Metallfiguren schmücken sie heute wieder Häuser wie Hotels. Hotelbesitzer nutzen gern den Schlafwandler, der den Gästen süße Träume bringen soll. Tauben bringen Frieden ins Haus.

Während der Hochzeit des Steinkohlebergbau spiegelten höhergestellte Steiger in den Zechensiedlungen gern ihren Wohlstand. Eigens aus Kupferblech gefertigte Figuren, die einen Bergmann mit Spitzhacke und Laterne zierten, fanden sich bis in den 60-er Jahren häufig auf Vordächern der Veranda.

 

Ein Rabe auf der Dachrinne, oder eine Phantasiefigur mit Angel soll Abschreckung für Tauben, Elstern wie Rabenkrähen sein.

Hexen auf ihrem Besen schützten vor dem bösen Blick oder anderem Unheil.

Wetterfahnen erfüllten vor Jahrhunderten einen ähnlichen Zweck, während sie heute mehr dekorative Windspielereien sind. Handwerker und Händler legten ihre Augenmerk auf handgeschmiedete Zunftzeichen, wie man sie heute oftmals noch in mittelalterlichen Stadtkernen entdecken kann.

Der Mythos dieser Dachfiguren hat sich bis heute gehalten, die alte Tradition der Schutzgeister lebt wieder auf.

In unseren Zeiten ist noch eine weitere magische Wirkung hinzugekommen:

Die oft aufwändig gestalteten Kunstwerke üben eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf den Betrachter aus...!

 

 

Das Glück des einfachen Lebens

Zugegeben, als Kinder störte uns das Plumpsklo versteckt im Garten der Urgroßmutter nicht so sehr.

Jedoch die fetten Spinnen, die im Frühjahr hinter den Holzbalken und aufgefleiten Kaminholzscheiten hervorkamen, störten mich schon ein wenig. Der Spruch meiner Cousins: „Die fressen nicht viel...“, war dabei wenig hilfreich. Was soll ich sagen, ich war halt mehr Stadtkind.

Sie wuchsen auf dem Land zwischen Gemüsegarten, Landmaschinen und Tierstallungen auf. Der Geruch von Dung, Kuhfladen und Plumpsklo hatte ihre Nasen abgehärtet...

Eine meiner Tanten vertrat den Standpunkt, Kinder müssen dreckig sein, nur dann werden sie gegen Krankheiten abgehärtet! Nun, wir alle spielten draußen im Feld, den Ställen oder der Kieskuhle.

Leider waren es ihre Jungs, die im Sonntagsstaat barfuß über die Wiese durch Kuhfladen zum See liefen, um am fünfundachtzigsten Geburtstag der Urgroßmutter zu angeln...

Das Bild, wie die Zwei mit den Fischen im Eimer, feuchten hochgekrempelten Hosenbeinen, Drecksfüßen und zerzausten Haaren erschienen, sehe ich heute noch in meiner Erinnerung, ebenso wie das Gezeter meiner Tante.... Die Blamage vor all den auswärtigen Gästen war zu groß und zu viel für ihre strapazierten Nerven...!

Unser Urgroßvater meinte es gut und wollte die Situation abmildern, indem er erklärte, sie solle sich nicht so aufregen - Ihre Söhne passten halt in keine Form. Das er die Situation damit verschlimmerte, fiel ihm in diesem Augenblick wohl nicht auf.

Heute, Jahrzehnte später, kehre ich leider nur selten an diesen Ort zurück.

Doch wann immer ich dort bin, habe ich das Gefühl, die Zeit ist stehen geblieben.

Die winzigen Häuser im Ort, mit ihren verwunschen wirkenden Vorgärten in denen Kletterrosen und Clematis am Eingang stehen. Die üppig blühenden Vorgärten mit Pfingstrosen, Storchenschnabel und Schleierkraut, in denen dank des untergegrabenen Hühnermist oder den Pferdeäpfeln beinahe alles gedieh. Fast nichts hat sich dort verändert. Es ist der Charme der Alterslosigkeit unserer Kindheit, die wir alle zwei Jahre mit einem Treffen in der Abgeschiedenheit des Dorflebens der Urgroßeltern zelebrieren.

Das Haus riecht noch wie damals. Nach Eichenholz und Asche, Bohnerwachs und Mottenkugeln in der Kommode.

Es ist die Schlichtheit, welches das Gefühl von Heimkommen vermittelt. Spätestens wenn der Kaminofen angeheizt, und der von Hand gebrühte Filterkaffee auf dem Tisch steht, vergessen wir langsam die Hetze des Alltags.

 


Unerwarteter Osterbesuch

Es war der 11. März 2020, als die erste Welle der Coronapandemie über das Land und die Welt schwappte. Ein eigenartiges Gefühl. Geschäfte und Gastronomie blieben geschlossen, auch über Ostern. ware Menschenansammlungen zu meiden, die Kontakte zur Familie und Freunden waren erheblich eingeschränkt. Was nutzte es zu jammern. Prinzipiell ging es uns gut - wir hatten ein Dach über dem Kopf, eine warme Wohnung, konnten Lebensmittel einkaufen. Zudem standen uns sämtliche Medien zur Kommunikation zur Verfügung.

 

Begriffe wie Homeoffice und Homeskooling prägten ab sofort den Alltag. Der Schreibtisch im Schlafzimmer, die Kindergartenkinder in der Küche... Alte Spiele wurden neu entdeckt, es wurde improvisiert und gebacken, gebastelt und man besann sich auf das Wesentliche.

Den Kindern die Zeit zu vertreiben war nicht immer einfach. Wer keinen Garten besaß musste mit Geduld und Erfindungsreichtum neue Wege der Kinderbelustigung finden...

 

Die Kinder meiner Freundinnen bastelten Osterkarten oder stellten selbstgemachte Obstbaumanhänger für die heimischen Vögel her. Sie verkochten Schmalz mit Sonnenblumenkernen, gehackten Haselnüssen und Graupen. Finken und Meisen nahmen die Zusatznahrung dankbar an. Letztendlich trauten sie sich sogar dichter ans Haus. Die Tiere eroberten manch ein Territorium im Wald, Wiesen oder Parks zurück, da sich erheblich weniger Menschen im Freien aufhielten. Eichhörnchen spragen von Baum zu Baum und eines Morgens stand sogar ein Waschbär auf der Mülltonne in der Nachbarschaft...

Als unsere Kinder am Ostersonntag in der Küche standen und mit faszinierten Gesichtern in den Vorgarten starrten, war offensichtlich etwas Merkwürdiges im Gange. Normalerweise interessierten sie sich nicht für das, was im Vorgarten vor sich ging...!

Unter den Büschen, gut versteckt saß ein Vierbeiner und zeigte seine Kehrseite.

Das ist ein Hase!“, wisperte eines der Kinder.

Nee, das ist ein Hund ohne Leine,  der nach etwas sucht oder ausbuddelt – pass auf, gleich kommt sein Besitzer hinterher...“, war die altkluge Antwort des älteren Geschwisterkindes.

Der erwartete Hundebesitzer kam nicht, aber der vermeintliche "Hasenhund" drehte sich langsam um, starrte uns entgeistert an und entpuppte sich als Kaninchen.

Keiner von uns bewegte sich.

Das Tier drehte sich und hoppelte gemächlich die Treppe hinauf und schnupperte an der Haustüre. Nachdem es sich offensichtlich genug umgesehen hatte, besuchte es die Nachbarn.

Drei neugierige Kinder stürzten zur Türe und stolperten fast über eine Geschenktüte mit bunten Schokoladeneiern...

Ob Kaninchen auch Ostereier ausliefern? Diese Frage haben wir bislang noch nicht klären können...!

 

 

Winterzeit = Ruhezeit

Eisblumen an den Fenstern, Raureif auf Gräsern und Pflanzen, zugefrorene Seen bei klirrender Kält oder Schnee, so haben unsere Großeltern und Eltern noch den Winter erlebt. Zu dieser Zeit gab es selten Zentralheizungen oder fest schließende Fenster. Durch die Ritzen der Holzrahmen zog es und die kalte Luft schien überall zu sein, da es kaum Jalousien gab.

Die Zeit zwischen den Jahren, sowie die im Monat Januar, galten als Ruhezeit. An den langen Abenden vor dem Ofen oder offenen Kamin wurde viel von den Großeltern erzählt oder Wissen an die Kinder weitergegeben. Das geschah durch Erzählungen wie praktischen Anwendungen.

Die letzten Schweine wurden geschlachtet, in Salz eingepökelt oder Schinken und Mettwürste im Rauchfang des Kamin geräuchert. Die meisten Aufgaben der Vorratshaltung mussten jedoch bereits im Herbst erledigt sein.

Im Winter legte man Pläne und Zeichnungen für die Fruchtfolgen des kommenden Jahres auf den Äckern und für die Gärten an. Dabei lernten schon die Kleinsten, welches Gemüse miteinander wuchs und welches besser nicht zusammen angepflanzt wurden, weil sie sich nicht riechen können...

Tomaten und Gurken mögen beispielsweise nicht beieinander stehen. Dafür werden Erdbeeren aromatischer, wenn Minze zwischen den Pflanzen wächst. Knoblauch hält Schädlinge fern. Mit Bananenschalen, fern von jungen Salatpflanzen ausgelegt, lockt man Nacktschnecken an, die sonst die zarten Pflanzen fressen würden.  Gerätschaften wurden ausgebessert und zum Teil erneuert.

Das Leben war Abhängig von Rhythmus der Natur. Hausmittel halfen gegen Erkältungen, die Rezepte wurden in der Familie weitergegeben oder verfeinert. Das Essen war einfach aber deftig. Gemüseeintöpfe und selten Fleisch, allenfalls an Sonntagen. Fettgebackenes wie Krapfen mit Rosinen, Apfelschnitzeln oder „Hefeballen“ mit Marmelade (Berliner), wie wir sie aus der Karnevalszeit kennen, gab es an Sonntagen, wenn die Verwandten zum Kaffee nach dem Kirchgang kamen. Manchmal wurden bereits am Vortag Berge von Waffeln mit dem "Tickeisen“ in der Mitte der Ofenmulde über der Glut im Herd gebacken. Dazu wurde der Herd nur mit einer bestimmten Holzsorte beheizt, damit die Temperatur lange vorhielt. Traditionen wurden gepflegt und weitergegeben, Feiertagsriten eingehalten und zelebriert.

Vieles von diesem alten Wissen ist heute leider verloren gegangen und würde sicher auch uns „modernen Menschen“ noch von Nutzen sein. Bereits im Mittelalter begannen Nonnen wie Mönche ihr Wissen zu sammeln, zusammenzutragen und aufzuschreiben. Glücklicherweise ist noch heute einiges überliefert, wie Rezepte von Hildegard von Bingen, die uns immer noch zu Gute kommen.

 


Gevatter Tod sucht eine Frau (Erschien im Sperling-Verlag - Gruselmärchen)


Vor sehr langer Zeit wurde einem Köhler und seiner Frau ein Kind geboren. Das Kind war leider ein Mädchen und nicht der erhoffte Sohn. Die Eltern waren enttäuscht, denn es stellte sich kein weiterer Nachwuchs mehr ein. Irgendwann bemerkten die Eltern zudem, dass ihre hübsche Tochter Viola sehr schlecht sehen konnte. So nahmen sie ihe Kind täglich mit in den Wald, während sie ihrer Arbeit nachgingen.

Oft saß das Mädchen auf einem bemoosten Baumstumpf und sang mit wunderschöner Stimme. Manch Wanderer lauschte ihren Liedern verzückt lächelnd. Schon bald erzählten sich die Leute, dass eine Elfe im Wald lebe, die mit ihrem Gesang die Menschen verzaubere. Tagein, tagaus verbrachte Viola im Wald, daher kannte sie fast alle Geräusche, wie das vage Farbenspiel des Waldes. Doch was nach einer zauberhaften Kindheit klingt, wurde Viola bald eintönig. Je älter sie wurde, umso mehr langweilte sie sich. So suchte sie sich eines Tages einen langen Stock als Stütze und tastete langsam vorwärts.

Zur gleichen Zeit saß der Tod an der Grenze seines Reiches auf einem Wegestein und blickte sehnsüchtig zum Menschenreich. Er hoffte, dass jemand freiwilig die Grenze in sein Reich überschreiten würde. Er holte die Menschen ab, wenn ihre Zeit gekommen war. Doch er hatte wenig zu tun, war einsam und suchte eine Gefährtin...

Er blickte an sich herab und bemerkte, wie beängstigend, wie angsteinflößend er wirkte. Manch einer, den er abgeholt hatte, beklagte sich über den Geruch, der ihm anhaftete: Moder und Verwesung. So beschloss er, sich im ersten Grün der Duftveilchen zu wälzen, um die Ausdünstung zu überdecken. Nachdem er eine passende Stelle gefunden hatte und darin herumtollte, war er zufrieden. Sein weiter Kapuzenmantel verdeckte zum Glück den knochigen Körper.

Viola war ein gutes Stück vorangekommen, bis sie zu einer Weggabelung kam.

Auf einem Wegestein konnte das Mädchen schemenhaft einen Wanderer sitzen sehen.

"Bitte lieber Wandersmann, sagt mir, wohin führt dieser Weg?", fragte sie.

Verwundert sah der Tod zu ihr auf. Er schaute sich das Mädchen genauer an und stellte fest, dass sie beinahe blind war.

Er räusperte sich und antwortete: "Der Weg führt direkt in mein Reich."

"Oh, dann seid Ihr gewiss ein Fürst oder gar ein König", stellte sie erfreut fest. "Wie abenteuerlich!"

"Ja, ich bin der Fürst der Unterwelt! Doch nun, da Ihr wisst, wer ich bin, seid so nett und nennt mir Euren Namen."

"Ich war unhöflich, mein Name ist Viola. Aber verzeiht mir, von Eurem Reich habe ich noch nie gehört, also schätze ich, es ist ein kleines Herrschaftsgebiet."

Gevatter Tod war für einen Augenblick sprachlos.

"Das ist meine Chance", dachte er. "Wenn ich es geschickt anstelle, geht sie freiwillig mit mir."

"Ja, es ist nicht groß, aber ich bin auf der Suche nach einer Frau, die mich lieben kann."

"Warum solltet Ihr keine Frau finden? Ihr herrscht über Euer eigenes Land und nennt es Euer Reich."

"Nein."

"Nein? Das verstehe ich nicht!"

"Weil ich dem Tod geweiht bin", erwiderte er vorsichtig.

"Das ist traurig, aber es schreckt mich nicht, auch ich habe einen Makel", erklärte sie. "Ich bin fast blind. Für mich ist es nicht wichtig, wie jemand aussieht. Meine Eltern sind alt, sie wünschen sich einen Sohn, der sie versorgt, aber das kann ich nicht. Sie müssen bis zu ihrem Ende arbeiten, denn jemanden wie mich will niemand zur Frau nehmen."

"Wenn Ihr mit mir kämet", sagte er bedächtig, dann würde es Euren Eltern wie auch Euch an nichts fehlen."

"Könnt Ihr mir versprechen, bis zu ihrem Ende für sie zu sorgen? Wenn ja, dann könnte ich mir vorstellen, mit Euch zu gehen."

"Ich verspreche es, wenn Ihr nur mit mir kommen würdet..."

"Dann will ich mit Euch gehen, da ich als kranke Tochter eine Last für sie bin!"

Er griff nach ihrer Hand und begleitete sie zurück zu den Eltern, die immer noch gebückt im Wald arbeiteten. Diese erschraken heftig, als sie sahen, wer neben ihrem Kind stand. Sie dachten, der Tod wolle sie mit sich in die Unterwelt nehmen.

"Vater, Mutter", rief Viola - "ich habe Gevatter Tod getroffen und werde mit ihm in sein Fürstentum gehen. Er versprach mir, dass es Euch an nichts fehlen wird. ihr müsst dann nicht mehr so schwer arbeiten!"

"Nein, Kind! Geh nicht", rief die Mutter entsetzt.

Verzweifelt sagte der Vater: "Lieber arbeite ich, bis ich tot umfalle..."

Traurig versuchte Viola die Eltern anzusehen und schüttelte den Kopf. "Ich werde mit ihm gehen, denn ich gab ihm mein Versprechen und er mir das Seine!"

Gevatter Tod sagte leise: "Ich werde sie also mitnehmen und für sie sorgen."

Dabei war das gruselige Klappern seiner Knochen zu hören. "Geht heim, seht, was ihr dort vorfindet. Nie mehr müsst Ihr zum Torfstechen oder Holz schlagen hierher kommen..."

Dann breitete er seinen Mantel aus, zog Viola an sich und war im selben Augenblick mit ihr verschwunden.

Die Eltern waren entsetzt. Sie weinten aus Verzweiflung, riefen laut Violas Namen. Doch sie tauchte nicht mehr auf. Traurig machten sie sich auf dem Heimweg und betraten ihre ärmliche Behausung.

Auf dem Tisch lag ein Koffer mit Goldmünzen, doch sie konnten sich nicht freuen. ihre geliebte Viola war fort und würde nie zurückkehren.

Nach zwei Tagen gingen beide völlig verzweifelt zurück in den Wald zu der Stelle, wo der Tod und Viola sie verlassen hatten. Gevatter Tod wartete dort auf sie.

"ich dachte mir, dass Ihr kommen würdet", sagte er mit knarzender Stimme.

Eine unheimliche Stille lag in der Luft, es war so, als würde der Wind für einen Moment den Atem anhalten.

Gevatter Tod holte seine Sense unter dem Umhang hervor, sprach seine drei magischen Worte und nahm beide mit sich in die Unterwelt.

Die Halskette von Violas Mutter behielt er bei sich und gab sie Viola einige Tage später. Fassungslos versuchte Viola ihn anzuschauen.

"Sie wollte sich niemals von ihr trennen, auch nicht im Tod", stellte sie erstaunt fest.

"Dennoch gab sie mir die Kette für dich mit - als Hochzeitsgeschenkt- also trage sie", erwirderte er barsch.

Viola ließ sie in ihre Kleidertasche gleiten: "Erst wenn ich ein neues, passendes Kleid dazu habe, werde ich sie tragen", entschied sie. "Irgendwann, wenn ich es habe, gehe ich heim um meine Eltern zu besuchen, damit ich mich von Herzen dafür bedanken kann."

Bestürzt sah der Tod sie  an, antwortete aber nicht, dann wandte er sich von ihr ab.

Viola spürte, dass ihre Mutter sich nicht freiwillig von der Kette getrennt hatte.

"Die Gefühle des Trägers gehen auf das Schmuckstück über", ...so hatte es ihre Mutter immer gesagt. Sie spürte grenzenlose Furcht, als sie die Kette in der Hand hielt. Eine böse Ahnung beschlich sie.

In der Nacht, als Gevatter Tod tief und fest schlief, schlich sie zur Truhe, wo er seine Sense verwahrte. Sie hatte den Tod einmal heimlich belauscht und sprach die drei magischen Worte. Dann wartete sie auf das, was geschehen würde. Sie hörte plötzlich die Stimmen ihrer Eltern.

In diesem Moment wusste sie, dass er alle betrogen hatte. Viola wurde wütend wie nie zuvor im Leben.

Plötzlich nahm sie den Modergeruch und die Verwesung wahr, die von ihrem schlafenden Gefährten ausgingen. Er hatte alle getäuscht.

Erbost schlich sie sich mit der Sense in das gemeinsame Schlafgemach zurück und drosch damit auf den schlafenden Tod ein. Gevatter Tod bäumte sich einmal kurz auf, dass seine Knochen klapperten und verschwand danach in sein Schattenreich.

In diesem Moment veränderte sich aber auch Viola. Ihre Hände wurden dünn und knochig. Alles an ihre knackte und klapperte plötzlich. Sie flüchtete noch in derselben Nacht aus dem Schattenreich, nahm die Sense zu ihrem Scutz mit und irrt seither durch die Welt.

Man erzählt sich seit dieser Zeit, der Tod sei eine Frau mit einer wunderschönen Stimme.

 

(Diese Geschichte erschien im Sperlingverlag, sie belegte den 2. Preis im Wettbewerb).

 

 

Erntedank und Gipfelstürmer

Im Herbst bündelt die Natur noch einmal all ihre Kräfte. Sie tröstet uns mit ihrer rot-goldenen Farbenvielfalt, den Früchten und all ihrer Pracht über die vergangenen Tage des Sommers hinweg.iv

Die Generationen vor uns lebten näher an der Natur, insbersondere die mit eigener Land- und Viehwirtschaft. Im Herbst wurde intensiv gearbeitet, aber auch gefeiert. Wenn die Blätter fallen, beginnen nach der Traubenernte die Winzerfeste, sowie das Erntedankfest.

Die Früchte an den Bäumen scheinen zeitgleich zu reifen. Sie müssen geerntet werden, zu Mus und Marmelade verkocht, eingeweckt oder im Steintopf eingelegt werden, wie zum Beispiel Sauerkraut, saure Gurken oder Salzbohen.

Kartoffeln wurden bis in die fünfziger Jahre noch nach Größe handverlesen und später eingekellert. Es hieß, wer die Kartoffelernte eingebracht hatte, konnte Erntedank feiern. In der bunten Jahreszeit reifen Bucheckern, Eicheln und Kastanien in den Wäldern. Wer ein Schwein im Stall hatte, konnte sich glücklich schätzen, doch nur die wenigsten Tiere wurden im Winter durchgefüttert. Spätestens nach Allerheiligen wurden sie geschlachtet. Wer allerdings einen Nachzögling im Stall hatte, fütterte ihn  im Winter durch. Die Waldfrüchte waren ein gutes Zubrot für die Tiere, insbesondere die Eichelmast. Auch Esskastanien wurden gesammelt und nach alten Rezepten in Kuchen verbacken, oder einfach im Feuer geröstet. Wir kennen sie als Maronen von den Herbst- -und Wintermärkten.

Beinahe alles, was die Natur hervorbrachte diente als Wintervorrat. Hasel- und Walnüsse, Pilze, Sanddorn und Hagebutten, Schlehen oder andere Beeren für Liköre in Alkohol eingelegt.

Frühdunst und Nebelschwaden bringen kühleres Wetter. Die Vögel ziehen fort, Fledermäuse suchen ihre Winterquartiere auf.

Sie tauchen die Welt in mystische Facetten, die sich durch schräg einfallende Sonnenstrahlen verstärken. Das unwirkliche Licht regt die Phantasie der Menschen an. Märchen über Feen und Elfen, die jeden Augenblick aus dem Schatten treten, könnten so entstanden sein. Spätestens bis zum Lichterfest an Sankt Martin sollte genügend Feuerholz gespalten und eingelagert sein.

Aufkommende Winde begünstigen das Aufsteigen der Drachen, deren bunte Bänder hin und her tanzen. Früher glaubte man es bringe Glück, wenn die Schnur des Windvogels riss, da er Sorgen, Nöte und Ängste in die Ferne tragen würde.

Der Herbst ist der furiose Abschied des Sommers


Gartenglück


Für meine Großeltern bedeutete ein eigenes Stück Land mit Obstbäumen, Beerensträuchern und selbst gezogenem Gemüse ein Stück Lebensqualität.
Sie erlebten den Weltkrieg mit all seinen Entbehrungen, der Kälte des Winters und der Flucht. Vielleicht bedeutete ihnen gerade deshalb das eigene Stück Garten so viel. Es war für sie die Unabhängigkeit der Selbstversorger.
Der Boden wurde umgegraben und belüftet, Komposterde selbst hergestellt. Setzlinge auf der Fensterbank gehegt und gepflegt, ehe sie ausgebracht wurden. Erst mussten die Eisheiligen vorüber sein, damit eventuelle Nachtfröste keinen Schaden mehr anrichten konnten.
Meine Oma sammelte in heißen Jahren Kartoffelkäfer von den Pflanzen ab, stellte Bierfallen gegen Schnecken auf, und Ameisen vertrieb sie mit Zimt. Ihr Garten wurde zu jeder Zeit biologisch bearbeitet. Pflanzenjauchen stärkten die Jungpflanzen oder halfen Rüsselkäfer und Läuse abzuwehren.
Kräuter für Salate und Gemüse waren wichtige Gewürze in der Küche. Fruchtfolgen wurden vorbestimmt: sobald das erste frühe Gemüse geerntet wurde, folgten die nächsten Sorten, die mehr Wärme und Sonne benötigten.
Einer meiner Großväter pflanzte in den fünfziger Jahren selbst gezogenen Tabak an. Eine Pflanze fand mein Vater zufällig fast drei Jahrzehnte später wieder, als er ein neues Kompostgitter anlegte. Als Raucher in jender Zei,t legte er einige Blätter zum Trocknen aus und probierte den Tabak selbstverständlich auch.
Hühner, Enten oder Kaninchen fanden oftmals ein schattiges Plätzchen im Garten. Der Kaninchen- wie Hühnermist wurde untergegraben und düngte die Erde. Starkzehrer wie Kartoffeln, Tomaten und Gurken gediehen meist prächtig.
Ende Juni, spätestens Anfang Juli wurde das Erdbeerbeet bearbeitet,Jungpflanzen ausgedünnt oder verpflanzt. Die Altpflanzen kamen in frische Erde. Auf das ursprüngliche Erdbeerbeet wurden Grünkohlpflanzen gesetzt. Otmals spielte der Stand des Mondes eine wichtige Rolle, dessen Aussathinweise schon seit Jahrtausenden ohne Veränderung Anwendung finden. Über Sommer füllte sich die Vorratskammer mit Einweckgläsern, in denen Erdbeeren, Kirschen, Äpfel, Pflaumen oder Birnen als Kompott eingekocht wurden. Im Spätsommer wurde Weißkohl mit Salz zu Sauerkraut eingestampft. Eine Kanne
aus frisch gebrühten Pfefferminztee kam allabendlich im Herbst auf den Tisch. Frische Kartoffeln, gekocht, gebacken, gestampft oder gebraten rundeten den Speiseplan ab, ebenso Gemüsesuppen.
Zu Allerheiligen war das eingelegte Sauerkraut ausgereift und wurde zum Sonntagsbraten als Schmorkraut gereicht.
Im Zweifelsfalle ernährte der Garten mit frischen Erträgen die Familie. Was fehlte, konnte zum größen Teil aus den eingeweckten Vorräten oder dem Grundnahrungsmittelbestand ergänzt werden.
Zum GLÜCK fehlt also nur der eigene Garten. ...!


 

Alle Rechte für die hier aufgeführten Texte liegen bei Dorothea Möller

 

 


Copyright Dorothea Möller © 2017-2020. Alle Rechte vorbehalten.